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Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Titel: Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)
Autoren: Sarah Beth Durst
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sich rundheraus geweigert). Die Überraschung davor: ein zwei Meter hoher Riesenkaktus für ihren Laden (Mom hatte ihn sofort gemocht; Lily hatte einen vertrockneten Skorpion gefunden, aufgespießt auf einem seiner Dornen). Angesichts seines Rufes als respektabler Geschäftsmann zeigte Grandpa in dieser Hinsicht recht bizarre Neigungen. Auch jetzt bedachte er sie mit einem Augenzwinkern, als hielte er sich für den Weihnachtsmann persönlich. »Aber diesmal bitte keine Schnecken«, sagte Lily.
    »Keine Schnecken«, versicherte er. »Nur ein paar Leute, denen ich dich vorstellen möchte.«
    »Wirklich?« Sie hatte noch nie einen von Grandpas College-freunden getroffen.
    Der Pfad führte durch das Wäldchen und hinaus auf eine sanft abfallende, perfekt gemähte Rasenfläche mit Volleyballnetz und exklusiven Gartenstühlen aus Teakholz. Während Grandpa vor ihr den Hügel hinaufschritt, versuchte Lily, sich ihn als Studenten vorzustellen – ohne den graumelierten Bart, mit schwarzem Haar statt weißem, ohne die vielen Fältchen im sonnengegerbten Gesicht. Ob er wohl seinen Mir-gehört-die-ganze-Welt-und-nicht-bloß-ein-Blumenladen-Gang hier gelernt hatte? Sie stellte sich vor, sie schritte selbst über diesen Rasen, als ob sie hierher gehörte.
    Von hinten holte ihre Mom sie ein und hakte sich bei ihr unter. »Ich bin gespannt, welches geheime zweite Leben dein Großvater die ganze Zeit vor uns versteckt hat. Ein Dutzend Freundinnen vermutlich.«
    Lily grinste. »Mindestens ein Dutzend.« Grandpa war schließlich ein äußerst gut aussehender Mann. »Zuerst treffen wir Buffy, Muffy und Fluffy, drei hübsche, blondierte Damen in den Achtzigern, die zusammen auf einer Yacht wohnen. Danach Margaret, die Geschiedene mit dem weichen, verletzlichen Herzen unter der rauen Schale. Und Penny natürlich, die reiche Witwe mit der Vorliebe für Paillettenkleider und Federboas.« Sie stiegen die Steintreppe zum Vineyard Club hinauf, und Lily verstummte. Hier sah sie ihn endlich in voller Größe vor sich, Großvaters berühmt-berüchtigten Club.
    Rose hatte nicht bemerkt, dass Lilys Aufmerksamkeit jetzt auf anderes gerichtet war. »Und nicht zu vergessen Clarisse«, spann sie den Faden weiter, »die blitzgescheite Brünette. Und Martha, die dritte Ex seines drittbesten Freundes … «
    Lily, deren Blick an der efeuberankten Fassade emporwanderte, keuchte beeindruckt: »Ich glaube, ich hab mich gerade verliebt.«
    Ein Herrenhaus. Anders konnte man es nicht bezeichnen. Vineyard Club war ein Herrenhaus im viktorianischen Stil mit Türmchen und Giebeln aus altem Mauerwerk, über und über bedeckt mit Efeu. Die Fensterflügel bestanden aus Schmiedeeisen, und in den meisten befand sich Butzenglas. Lily reckte den Hals und versuchte, die Bilder in den bunten Scheiben zu erkennen, aber alles, was sie von ihrem Standpunkt aus sehen konnte, waren Farben. Saphirblau, rubinrot und smaragdgrün funkelten die Glasstücke im Sonnenlicht. »Kann ich hier einziehen? Jetzt gleich?«, fragte sie. »Im Ernst, hier würde ich gerne wohnen.«
    Wie ein geschulter Butler öffnete Grandpa mit einem vollendeten Schwung die Tür und bedeutete ihr einzutreten. Lily lugte vorsichtig ins Innere: überall Mahagoni. Wände, Fußboden, Tische, Stühle, eine Bar mit Hockern – alles in schönstem, dunklem Edelholz. Es war … uuuh! Eine Woge schalen Bierdunstes rollte aus dem Gebäude und überschwemmte sie wie ein Tsunami. Sie wich zurück. »Aber bevor ich hier einziehe, desinfizieren wir es.«
    Grandpa atmete tief ein. »Riecht nach Abschlussjahr.«
    War das das Jahr, in dem seine Riechzellen den Geist aufgegeben haben? Lily machte ein paar Schritte rückwärts, um frische Luft zu schnappen. Sie drehte sich zu dem leuchtend grünen Rasen um, der sanft hinter ihnen abfiel …
    … und erblickte den Jungen.
    Er stand unter einer Kiefer neben dem Parkplatz, trug Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Sein Haar war orange und schwarz gestreift wie das Fell eines Tigers – die Uni-Farben. Also war er eindeutig ein Princeton-Boy, der erste, den sie überhaupt zu Gesicht bekam. Sie fühlte sich wie ein Vogelkundler, der ein Exemplar einer überaus kostbaren und seltenen Spezies entdeckt hatte.
    Seltsamerweise hatte es den Anschein, als würde der Junge ihr direkt in die Augen sehen.
    Sicher war das bloß Einbildung. Er war vermutlich in den Anblick des herrlichen Hauses versunken. Oder wartete auf seine Freundin. Jungs wie er hatten eine Freundin. Sie interessierten sich
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