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Isola - Roman

Isola - Roman

Titel: Isola - Roman
Autoren: Arena
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brasilianischen Götter des Candomblé-Kultes. Mein Part war der Göttin Yansã gewidmet gewesen. Sie ist die Herrin der Blitze und Winde, aber auch die Führerin der Toten und wird in Brasilien als machtvolle, mutige Kriegerin verehrt. Begleitet von Atabaque-Trommeln und Sabiás Berimbau hatte ich Yansãs wildes, ungezähmtes Wesen zum Ausdruck gebracht und wie immer, wenn ich tanze, alles um mich herum vergessen. Als Quint Tempelhoff anschließend in unserer Garderobe stand, um mich zu fragen, ob ich Interesse hätte, bei seinem Filmprojekt mitzumachen, hatte mich fast der Schlag getroffen. Dann war alles ganz schnell gegangen; Tempelhoffs Einladung zum Casting in Berlin, die Informationen über das Projekt und schließlich die Zusage und das Gespräch mit meinen deutschen Eltern.
    Erika zu überreden, war das Schwierigste gewesen, und am Ende war es Bernhard, der mir die Erlaubnis gegeben hatte. »Irgendwann wird Joy ohnehin gehen, Erika, mit oder ohne uns. Vielleicht ist es so am besten.« Mein Mund war plötzlich wie ausgetrocknet. Ich sah den Gang hinunter. Hoffentlich kam bald die Stewardess mit den Getränken.
    »Ich spiele klassisches Theater«, kam es von Elfe. »Neben der Schule natürlich. Ich bin in der Elften und du?« Elfe wartete meine Antwort nicht ab. »Jedenfalls kennt meine Lehrerin Tempelhoff, sie hat mal bei ihm hospitiert. Er kann angeblich ziemlich jähzornig sein, bin gespannt, ob wir ihn auf der Insel überhaupt zu Gesicht bekommen. Na ja.« Elfe fuhr sich durch ihre lila Wuschelhaare und ließ dabei ihre Glasperlen klimpern. »Jedenfalls bin ich postwendend zum Casting nach Berlin gefahren – und tätää … drei Wochen später kam der Lottogewinn. Musstest du ihm auch deinen Inselnamen sagen? Bei meinem hat er gelächelt und meine drei Dinge für die Insel hat er auch abgenickt. Was sind deine drei Dinge? Meine sind im Rucksack, muss gleich mal schauen gehen, ob der noch am Platz liegt. Mann, das war ganz schön schwer, mich zu entscheiden. Sonnencreme und Zahnbürste werden die uns ja wohl ins Zimmer stellen, denk ich mal, oder? Und hat die Stylistin bei dir auch die Maße genommen?« Elfe schüttelte sich. »Ich hoffe, die hängen mir keine Jeans in den Kleiderschrank. Für nichts in der Welt zwänge ich meine Beine in Hosen, das sag ich dir. Ich bin jedenfalls so aufgeregt, dass ich platze.«
    Ich seufzte. Das merkte man. Dabei war ich nicht weniger aufgeregt. Bei mir zeigt sich das nur anders – oder genauer gesagt: gar nicht. Je aufgeregter ich innerlich bin, desto ruhiger werde ich äußerlich. Das muss schon immer so gewesen sein. Jedenfalls hatte mir auch Erika so etwas gesagt. »Still«, sagte sie. »Du warst so still und stumm wie eine Puppe, als wir dich … «
    Ich presste die Lippen zusammen. Nein, nicht daran denken, nicht jetzt, nicht hier.
    Die Stewardess kam. Elfe wollte Tomatensaft mit Salz und Pfeffer, ich bestellte ein stilles Wasser. Elfe leerte ihren Tomatensaft in einem Zug und wischte sich mit dem Handrücken den roten Bart über den schwarz geschminkten Lippen ab.
    »Komm, wir sehen nach, ob wir noch ein paar aus der Crew finden. Die Blonde da drüben, die könnte doch auch eine von uns sein, was meinst du?« Elfe streckte ihren Finger aus und zeigte auf ein Mädchen, das eine Reihe vor uns saß. Seine hellen Locken fielen bis auf die Sitzlehnen. Als Elfe pfiff, drehte sich das Mädchen um. Eine lebendige Barbiepuppe, das war das Erste, was mir in den Kopf schoss. In der allerersten Sekunde wirkte das Mädchen überrascht, dann scannte sie Elfe mit den Augen ab, von oben nach unten und wieder zurück nach oben. Auf ihren Lippen erschien ein spöttisches Lächeln. Elfe stieß beleidigt die Luft aus. »Was hat die denn gebissen?«, murmelte sie. Dann drehte sie sich um, kniete sich auf den Sitz und begann, die Reihen hinter uns zu inspizieren.
    »Schau mal, der dahinten. Ich wette, der ist auch dabei.«
    Widerstrebend drehte ich meinen Kopf.
    Und da sah ich ihn zum ersten Mal.
    Er saß drei Reihen hinter uns. Er hatte dunkle, schulterlange Haare und sein Gesicht war über eine Zeitschrift gebeugt. Doch dann, als hätte er unsere Blicke bemerkt, hob der Junge den Kopf. Ich sage in diesem Fall bewusst der Junge , obwohl er deutlich älter war als ich. Er hatte ein schmales Gesicht mit großen dunklen Augen. Aber er sah nicht Elfe an, sondern mich.
    Und dann lächelte er. Sein Lächeln war so warm und offen, wie ich es bisher bei keinem deutschen Lächeln gesehen
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