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Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Titel: Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
Autoren: Mikka Bender
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fliegen, und Kathmandu hat im Winter leider sehr oft Nebel – so auch zwei Tage vor Heiligabend. Gegen acht brach aber die Sonne durch, und wir konnten los.
    Mit den beiden Österreichern und dem Apothekerehepaar saß ich in der ersten Maschine. Ein guter Reiseleiter muss mit leuchtendem Beispiel vorangehen. Knapp eine Stunde später lag die Sandpiste von Syangboche vor uns. Die Pilatus Porter war steil gegen den Berg geflogen und setzte in einer Staubwolke auf 3800 Metern auf. Dabei hatte der Schweizer Pilot die Kiste wie einen alten VW auf einem Feldweg nach links gezogen und vor einer Bretterbude zum Stehen gebracht. Wir waren auf dem Dach der Welt gelandet.
    Aus der Holzbude schritt jemand, wahrscheinlich der Flughafenmanager, gemächlich mit einer Thermoskanne Tee für den Piloten heran. Die kleine Yakherde, die die Pilatus Porter von ihrer kargen Weide, der Piste, in die angrenzenden Geröllfelder vertrieben hatte, trottete wieder zurück. Yaks sind übrigens Hochgebirgsrinder mit dickem Fell und mächtigen Hörnern. Sie sind schlauer als Wasserbüffel, zumindest sehen sie schlauer aus.

    Die Yakhirten hatten bei unserem Anflug im Windschatten einer kleinen Felswand in der Sonne gesessen. Jetzt packten sie ihre Säcke, die neben ihnen gelegen hatten, und hetzten auf uns zu. Nicht grundlos. Yakhirten hatten im Schatten des Mount Everests schon früh erkannt, dass der Berg ihnen ein neues Geschäftsmodell offerierte. Wenn Touristen einen öden, kalten Berg so faszinierend finden, dass sie unglaublich viel Geld in die Hand nehmen und sogar ihr Leben riskieren, nur, um ihn einmal sehen zu können (manche besteigen ihn sogar), dann war doch klar, dass diese Menschen auch Gefallen an altem Küchen- oder Klosterplunder finden mussten. Waren das doch Sachen, die die Menschen am höchsten Berg der Welt brauchten oder eben nicht mehr brauchten.
    Dazu profitierten die Yakhirten von der Tatsache, dass Touristen, im Gegensatz zu ihnen und ihren Tieren, in der dünnen Höhenluft nicht mehr so gut denken und damit auch nicht richtig rechnen können. Dieses Phänomen stützte das Geschäftsmodell der Hirten wie auch die weitere Gegebenheit, dass die gekauften Souvenirs beim Rückflug dem Flughafenmanager ausgehändigt werden mussten (Übergepäckproblem!). Auf diese Weise gelangte alles wieder zu ihnen, und sofort konnte man den Krempel der nächsten Touristengruppe verkaufen. Ich könnte hier ein weiteres Mal von einer Win-win-Situation sprechen, lasse es aber, weil Yakhirten insgesamt ein beschwerliches Leben haben.
    Böse Zungen könnten jetzt fragen: «Warum warnt der Reiseleiter seine Gruppe eigentlich vorher nicht?» Die Antwort kann man sich denken: Er bekommt natürlich Prozente, ebenso der Pilot, was er mir gegenüber aber niemals zugegeben hat.
    Nachdem uns dann also die Yakhirten bestürmt und sie ihre Souvenirs den Stretchhosen gegen eine sehr hohe Gebühr sozusagen ausgeliehen hatten, mussten sie anschließend ihre Tiere von der unbefestigten Piste treiben. Der Pilot wollte los, um die zweite Hälfte der Gruppe in Kathmandu abzuholen. Mit aufheulendem Motor drehte die Maschine, und dann gab es für die nächsten Sekunden nur noch Krach und Staub und Getöse in der Bilderbuchlandschaft. Im Hintergrund die Hängegletscher der Sechstausender Kang Taiga und Thamserku und darunter die dunkelgrünen, uralten Rhododendron- und Kiefernwälder.
    Am späten Vormittag war die Gruppe vollzählig, mit Souvenirs versorgt und zum Aufstieg Richtung Hotel bereit. Ganz langsam gehen, war jetzt die Devise, so tun, als sei man schwerst gehbehindert. Dies war die einzige Möglichkeit, den in der Höhe fast obligatorischen Kopfschmerz wenigstens noch für einige Minuten abzuwehren. Auf knapp 4000 Metern würde er sowieso unweigerlich kommen, außer bei den Glücklichen, bei denen eine Höhenanpassung stattgefunden hatte. Im Schneckentempo zogen wir somit bergan, schnaufend und immer den Blick nach Norden gerichtet, in der Hoffnung, ihn endlich zu sehen.
    Aber erst kurz vor dem Everest-View-Hotel zeigte er sich, der Mount Everest. Entsprechend wild wurde eine Aussichtsstelle nach der nächsten angesteuert, sehr zur Freude des Kopfschmerzes. Der setzt sich bei Höhenluft gern zuerst hinter dem rechten Auge fest, bei Rechtshändern zumindest. Ich bin Linkshänder.
    Das Hotel war ein flaches Bruchsteingebäude, das gut in die Landschaft passte, ein bisschen wie ein großzügiges Schweizer Chalet gebaut. Betrat man es, so stand man in
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