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Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Titel: Inspektor Jury spielt Katz und Maus
Autoren: Martha Grimes
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Respekt entgegen, aber wenn er seinen Stammkunden die Sperrstunde ansagte, hielt er sich nicht lange mit Höflichkeiten wie «bitte» oder «meine Damen und Herren» auf.
    Angesichts des Mangels an Damen und Herren – alle außer Mrs. Withersby saßen um den Tisch in der Fensternische – war seine Forschheit vielleicht verzeihlich.
    Marshall Trueblood warf einen Blick auf die Uhr und rief Dick zu: «Ist es nicht ein bißchen früh, alter Schwede? Es ist gerade erst zehn vorbei. Seit wann machen Sie vor halb elf dicht? Auf jeden Fall noch eine Runde.» Marshall nickte in Richtung von Mrs. Withersby, die am Feuer schlief. Ein Pistolenschuß hätte sie nicht schneller aufgescheucht als ein Schuß Gin.
    « Du mußt dir natürlich keine Sorgen machen», sagte Lady Ardry zu ihrem Neffen Melrose Plant.
    Der ließ sein Kreuzworträtsel sinken und zog die Brauen in die Höhe. Die Bemerkung war ohne jeden Zusammenhang zu dem vorher Gesagten dahergekommen, wie ein Schwanz ohne Hund. Sie hatte den Telegraph weggelegt und dann den Wirtschaftsteil der Times durchgeblättert. Lady Ardrys Anwesenheit zu dieser eher späten Stunde war für alle der Beweis, daß das Bier, der Tag und höchstwahrscheinlich auch der Herbst zur Neige gingen. Im allgemeinen mußte man zu jeder Tageszeit damit rechnen, daß sie hier oder in Ardry End aufkreuzte – wenn sie auch eisern verkündete, daß für sie der Morgen um sieben begann. Sie war keine Tagediebin wie andere. Immer um zehn im Bett.
    «Worüber brauche ich mir keine Sorgen zu machen, liebe Tante?» Mit einer Antwort rechnete er nicht: Es war eh eine Fangfrage gewesen, da war er sicher.
    «Über Kapital, Plant, über Kapital. Investitionen. Geld. Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen, mit deinem Erbe.»
    Er sparte sich die Mühe zu antworten. Daß der siebte Earl of Caverness, sein Vater, seiner Schwägerin Agatha nicht zumindest einen Flügel von Ardry End vererbt hatte, machte Melrose Plant in ihren Augen für immer und ewig zu einem Spitzbuben und Schurken. Sie schien sich auch nicht zu entsinnen, daß Melroses Vater in Form eines Cottages in der Plague Alley und einer jährlichen Unterhaltszahlung für sie Vorsorge getroffen hatte. Wahrscheinlich hatte sie ihren Besitz wie ein Eichhörnchen irgendwo verscharrt, den Eindruck hatte man zumindest, wenn man sich ansah, was sie in Ardry End, dem Familiensitz der Caverness-Linie, so zum Abendessen verspeiste.
    «Einmal möchte ich doch was Sicheres. Etwas, das mir einen ordentlichen Batzen Gewinn einbringt, sollte ich mich entscheiden, es zu verkaufen. Etwas Marktunabhängiges. Etwas absolut Stabiles.» Sie leerte ihr Sherryglas in einem Zug. «Ich erwäge Edelmetalle. Was würdest du vorschlagen?»
    «Den Heiligen Gral», sagte Melrose.
    «Antiquitäten, altes Mädchen», schlug Marshall Trueblood vor, der als einziger in Long Piddleton damit handelte. «Ich habe da einen feinen Jadedrachen, Ming-Dynastie, denke ich – ein paar hundert Jährchen hat er jedenfalls auf dem Buckel –, ich würde ihn billig abgeben, an Sie.» Er schenkte ihr ein blitzartiges Lächeln und zündete sich eine rosafarbene Sobranie an. Wie üblich paßte die Zigarette zu seinem Outfit. Trueblood trug eine Safarijacke, ein flamingorotes Halstuch und ein hellgrünes Hemd. Auf dem Tisch lag ein Panamahut. Im Oktober. Melrose dachte oft, daß Trueblood die Papageien im Dschungel blaß aussehen lassen würde.
    «Wie wär’s mit meinem Haus?» sagte Vivian Rivington zu Agatha.
    « Die alte Bruchbude? Sie haben zu lange nichts mehr daran gemacht, Vivian.»
    Trueblood schnaubte: «Bruchbude? Es ist das schönste Cottage in Long Pidd, und das wissen Sie ganz genau.» Er wandte sich an Vivian. «Aber wirklich, Viv-viv, dauernd wollen Sie es an den Meistbietenden verkaufen, und dann ziehen Sie es wieder vom Markt zurück.»
    Melrose konnte das absurde Geschwätz über das «Investitionspotential» seiner Tante keine Sekunde länger ertragen. Das einzige, was Agatha je investieren würde, war Zeit – einen Großteil davon verbrachte sie vor dem Kamin ihres Neffen und konsumierte Tee und Kuchen. Er schlug sein Scheckheft auf und drehte die Kappe von einem dünnen goldenen Stift. «Was wollen Sie dafür, Vivian?»
    Vivian Rivington sagte mit dünner Stimme:
    «Was reden Sie da, Melrose? Sie wollen doch mein Haus nicht.»
    «Stimmt. Aber wenigstens hätten Sie es dann verkauft und müßten nicht immer zwischen Northants und Venedig hin- und herflitzen.» Er
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