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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen
Autoren: Martha Grimes
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produzierte ein Gebräu, das indes bewies (Melrose hatte den Geschmack des Donnerschlags noch auf der Zunge), wie wenig er mit den Schwierigkeiten des Herstellungsprozesses vertraut war.
    Inmitten all dieser Geschäftigkeit wäre Melrose sich wie ein Faultier vorgekommen, wäre er nicht ein vernünftiger Mensch gewesen, der sich schon vor etlichen Jahren gewisse Prioritäten gesetzt hatte. Nachdem er mit seinen Titeln, wie dem des Earl of Caverness, des fünften Viscount Ardry und was der Dinge mehr waren, aufgeräumt hatte, konnte er es sich nunmehr auf seinem vom Mief der Vergangenheit befreiten Familiensitz Ardry End gemütlich machen und sein Vermögen genießen.
    Es ist wirklich Frühling! dachte er. Schon allein diese Luft …
     
    Zu seinem Leidwesen ließ Scroggs, als er die Tür öffnete, nicht nur die linde Frühlingsluft herein, sondern auch Melroses Tante, die demonstrativ mit ihren Krücken herumfuchtelte. Diese wurden zunächst hier, dann dort angelehnt, während Agatha sich zu der chintzgepolsterten Bank hinüberquälte. Wenn Melrose ihr nur ein klitzekleines bißchen zur Hilfe eilte, dann nicht etwa, weil er kein Gentleman war, sondern weil er wußte, daß der verbundene Knöchel der reinste Schwindel war, zu dem sie den Dorfarzt unter vielem bitterlichem und bemühtem Geseufze von beiden Seiten überredet hatte.
    «Ich habe bei dir angerufen. Du warst nicht zu Hause», sagte sie und ließ sich mit einem gekonnten Aufstöhnen neben ihm auf die Bank plumpsen.
    «Nein, daß du das aber auch gemerkt hast, Agatha», sagte er und setzte T-R-A-M-P-E-L ein, wo eigentlich T-R-O-M-M-E-L hätte stehen müssen. Das machte Spaß.
    «Wenn mich nicht alles täuscht, hast du gesagt, er käme heute.»
    «Jury? Tut er auch.»
    Wenn einer auf die Bedürfnisse anderer keine Rücksicht nahm, dann Lady Ardry; sie stellte das Fensterchen hinter sich auf, wobei ein Schauer aus Blütenblättern von den Kletterrosen herabrieselte, und verlangte mit lauter Stimme ihr Zielwasser von Dick Scroggs.
    «Ist doch nicht einzusehen, wieso der Mensch sich nicht ums Geschäft kümmert; statt dessen klatscht er ein so ekelhaftes Blau an die Wand.»
    Ein Wort mit vier Buchstaben statt R-U-T-E . Melrose grübelte. «Na ja, seit der ‹Blaue Papagei› solch ein Bombengeschäft macht, hat Scroggs Angst, daß man ihm dort die ganzen Touristen vor der Nase wegschnappt.»
    «Welche Touristen? Genau aus dem Grund gefällt es uns doch hier: keine amoklaufenden Fremden, die mit Lutschestangenpapier um sich schmeißen, keine kreischenden Bälger. Es ist ihm doch nichts zugestoßen?»
    Melrose blickte fragend hoch.
    «Superintendent Jury .» Schwer von Begriff, besagte ihr Seufzer.
    Du dumme Pute, dachte Melrose.
    Ah! Jetzt hatte er’s, freute er sich, während er den Füller über dem Kreuzworträtsel gezückt hielt. «Er hat einen Platten gehabt», log er und setzte P-U-T-E ein. Da sie ohnehin zu glauben schien, er habe ein Radargerät eingebaut, welches jede von Richard Jurys Bewegungen überwachte, würde diese Bemerkung sie erst recht zu Spekulationen über Jurys Ankunftszeit reizen.
    «Ich wußte, daß was passieren würde. Tut es immer. Das ist nun schon das dritte, nein, das vierte Mal, daß er eigentlich auf Besuch –» Hier brach sie ab und forderte erneut ihr Glas Sherry, denn Dick war mit seinem Farbeimer hereingekommen. Er ging ungerührt weiter.
    Melrose wechselte das Thema. «Und was treibst du hier, wo du doch im trauten Heim deinen Fuß hochlegen solltest?»
    «Ich muß sichergehen, daß meine Zeugen auch bei der Stange bleiben. Miss Crisp fängt schon an zu schwanken. Und da kommt Vivian, und die ist wahrlich gar keine Hilfe.»
     
    Vivian Rivington, in ihrem hellroten Kleid wie ein Vorbote des Sommers, sagte zu Agatha, sie mache sich lächerlich, sie solle lieber vergeben und vergessen. Und Vivian setzte hinzu: «Eigentlich ist es an Mr. Jurvis zu vergeben. Denn Sie, Agatha, machen doch ihm das Leben schwer. Wo ist Superintendent Jury?» Jedes Interesse an Agathas «Fall» erlosch angesichts eines Ereignisses, das sich weniger häufig einstellte als eine Sonnenfinsternis.
    «Auf der Strecke geblieben. Nein, nicht er, sein Auto. Hat einen Platten auf dem M-1. Er hat mich von einer Raststätte aus angerufen.» Er freute sich diebisch, daß ihm noch ein Wort eingefallen war: S-C-H-A-F . Dazu konnte er das A von T-R-A-M-P-E-L verwenden. Vielleicht besaß er ja noch eine bislang unentdeckte Begabung, nämlich die, sich
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