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Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Insel zweier Welten: Roman (German Edition)

Titel: Insel zweier Welten: Roman (German Edition)
Autoren: Geraldine Brooks
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damals nicht.) Als ich später am Feuer saß und sich das geschmolzene Eis in einer Pfütze zu meinen Füßen sammelte, stellte Makepeace Vater die Frage, die damals auch in mir aufgekommen war: Aus welchem Grund hatte Großvater sich eigentlich ausgerechnet auf dieser Insel angesiedelt? Warum hatte er sieben Meilen gefährlichster Strömungen zwischen sich selbst und die anderen Engländer gebracht, zu einer Zeit, als es auf dem Festland für jeden, der sich dort niederlassen wollte, genügend Land gab?
    Vater erwiderte, unser Großvater habe als junger Mann bei einem wohlhabenden Edelmann in Diensten gestanden, der ihm seine fleißige Arbeit nur mit unbegründeten Anschuldigungen vergütete. Zwar sei es Großvater gelungen, sich von jeglicher Schuld reinzuwaschen, doch die Erfahrung habe ihn verbittert, und so beschloss er, in Zukunft niemandem mehr Rechenschaft abzulegen. Nicht einmal mehr John Winthrop, dem Gouverneur der Kolonie von Massachusetts Bay, einem Mann, der durchaus angesehen war, der jedoch alle, deren Ideen nicht mit den seinen übereinstimmten, grausam bestrafte. Mehr als nur einem Mann hatte man die Ohren abgeschnitten oder die Nase aufgeschlitzt; eine aufsässige Frau war schwanger und mit einem Dutzend Kindern im Schlepptau in die Wildnis verstoßen worden. Und sie alle waren seine christlichen Brüder und Schwestern. Was man hingegen auf Winthrops Befehl hin den Pequot-Indianern angetan hatte, so mein Vater, sei für unsere Kinderohren nicht geeignet.
    »Euer Großvater hatte das Gefühl, es besser machen zu können. Und so kaufte er diesen Grund und Boden hier, der außerhalb des Machtbereichs von Winthrop lag, und versammelte einige Männer mit ähnlicher Gesinnung um sich, die bereit waren, sich dem lockeren Zügel seiner Führung zu fügen. Mich schickte er im Jahre 1642 zum ersten Mal auf Überfahrt. Und so kann ich heute stolz darauf sein, mein Sohn, dass dein Großvater damals darauf beharrte, auch den hiesigen sonquem , den Häuptling, für seinen Grund und Boden auszuzahlen, obwohl er doch bereits die englischen Behörden dafür entlohnt hatte. Jede Hütte und jedes Haus, das wir hier auf diesem Land errichtet haben, wurden uns nach freiem Willen verkauft, und zwar nach Verhandlungen, die ich ehrenhaft geführt habe. Vielleicht wirst du hören, dass nicht alle Gefolgsleute des Häuptlings in dieser Angelegenheit einer Meinung mit ihrem Anführer waren, und einige sagen heute noch, er habe selbst nicht recht begriffen, dass wir sein Land für immer behalten wollen. Doch sei es, wie es ist, die Sache ist abgemacht, und dem Gesetz wurde dabei Genüge getan.«
    Ohne es auszusprechen, dachte ich, Großvater habe wohl kaum erwarten können, dass die durchdachten Paragraphen englischen Besitzrechtes den etwa dreitausend Menschen, die vor unserem Eintreffen hier als Wilde gegolten hatten, allzu viel bedeuteten. Und wenn es bei diesem Plan einen Grund gab, stolz zu sein, dann doch wohl auf die Schlauheit unseres Großvaters, und auf den Mut und den Takt, mit dem unser Vater bei seiner Durchführung zu Werke gegangen war. Vater war damals, als er hierherkam, erst neunzehn Jahre alt gewesen. Vielleicht hatten ja gerade seine Jugend und sein sanftes Gemüt den sonquem davon überzeugt, dass von den »Mantelmännern«, wie sie uns nannten, keine Gefahr ausgehe. Und was konnten wir ihnen auch schon antun – nur eine Handvoll Familien, die sich in einer schmalen Bucht zusammendrängten, während sich Hunderte von Rothäuten auf der gesamten Insel verteilten, ganz gleich, wohin man blickte?
    Vater nahm den Faden seines Gedankens wieder auf, als wollte er ein wirres Knäuel ordnen. »Ja, wir sind gute Nachbarn gewesen; davon bin ich fest überzeugt«, sagte er. »Und warum auch nicht? Es gibt keinen Grund, sich mit ihnen anzulegen, ganz gleich, welche Ränke die Familie Alden und ihre Anhänger schmieden. ›Du magst den Teufel aufstören oder ihm lästig werden, doch zu Christen bekehren wirst du hier niemanden‹ – das hat Giles Alden zu mir gesagt, als ich zum ersten Mal in den wetus, den Hütten, des Stammes predigte. Und wie sehr er sich doch geirrt hat! Mehrere Jahre schluckte ich den Staub in diesen Hütten, ich half den Menschen in alltäglichen Dingen, wo auch immer es mir möglich war, und war glücklich, auch nur bei einem oder zweien von ihnen Gehör zu finden, wenn ich über unseren Herrn Jesus Christus sprach. Und jetzt endlich beginne ich, ihrem Verstand den reinen Wein des Evangeliums
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