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Insel der sieben Sirenen

Insel der sieben Sirenen

Titel: Insel der sieben Sirenen
Autoren: Carter Brown
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Blitzfeuer der
Erinnerung anknipste — diese hohen Wangenknochen, das kleine runde Kinn, die
ebenmäßige Nase... All das kam mir bekannt vor, aber ich beschloß, den Mund zu
halten, bis ich meiner Sache sicher war.
    Schwankend
kam ich auf die Füße und blickte in zwei graublaue Augen, die mir selbstsicher
entgegenstrahlten. Das war auch keine Kunst, wenn man frisch, trocken, richtig
angezogen und schön war, dachte ich säuerlich. Für einen erschöpften,
durchnäßten Seestreicher war es schon schwieriger.
    »Also,
wenn ich raten darf — Sie sind Bradstones minderjährige Mätresse, zum Überdruß gelangweilt, und fiebern aufgeregt dem
jungen virilen Besucher entgegen«, sagte ich mit dem letzten Rest meiner
üblichen Verve.
    Sie
schüttelte den Kopf, wobei ihre zollkurz geschnittene, hellbraune Haarkappe
völlig unbewegt blieb. »Ich bin seine Tochter Cheryl. Und nicht mehr
minderjährig«, lächelte sie.
    Wenn
mich schon eine Sirene in den Tod locken mußte, dann war mir diese hier noch am
liebsten. »Ich habe mir ja noch nie viel aus großen Empfängen gemacht — aber
Sie tun’s einstweilen, bis die Blaskapelle kommt .«
    »Besten
Dank«, sagte sie mit so leiser und vibrierender Stimme, daß ich ihr auf der
Stelle eine Million Dollar geschenkt hätte. »Ich freue mich, daß Sie gekommen
sind, und wollte Ihnen nur entgegengehen, um Ihnen zu versprechen, daß ich
alles tun werde, um Ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen .«
    »Das
tun Sie jetzt schon«, versicherte ich.
    »Oh
— vielen, vielen Dank!« Sie atmete tief ein und begann dann zu kichern.
»Himmel, sind Sie vielleicht naß !«
    Mit
einer Grimasse blickte ich zu den grauen Wolken auf. Obwohl es inzwischen zu
regnen aufgehört hatte, mußte ich immer noch wie ein ertrunkener Seehund
aussehen. Wenigstens klebte das Haar mir am Kopf, als wollte es jedem
Skalpjäger trotzen.
    »Ich
führe Sie zum Haus«, sagte sie so einladend, als sollten dort die
vielversprechendsten Dinge folgen. Verwirrt fragte ich mich, ob ich nicht doch
ertrunken und bei einem Engel des Matrosenhimmels gelandet war.
    Aber
dann packte sie plötzlich so heftig meinen Arm, daß ich schmerzhaft auf die
Erde zurückkehrte. »Kommen Sie schon«, drängte sie und zog mich fort.
    »Aber
gern«, nickte ich. »Ich gehe freiwillig, und außerdem heiße ich Randall mit
Vornamen .«
    »Das
weiß ich«, murmelte sie, als verriete sie ein großes Geheimnis. »Ich weiß alles
von Ihnen .«
     
    Das
große Steinhaus dräute von seinem waldumkränzten Hügel herab wie Draculas
Schloß, nur daß es nicht ganz so alt war. Cheryl und ich kämpften uns den
Felspfad von der Anlegestelle hinauf; endlich standen wir vor einer riesigen
Eichentür mit eisernen Beschlägen und einer Zugglocke. Keuchend stand ich da
und überlegte, daß ich eigentlich in besserer Form hätte sein müssen, da ich
das Rauchen doch schon seit einer Woche aufgegeben hatte. Meine Sekretärin
Mandala Warmington hatte darauf bestanden. Ich
schielte zu Cheryl hinüber und bemerkte, daß sie völlig normal atmete, aber
alles andere hätte mich bei ihrer Oberweite auch völlig aus der Fassung
gebracht.
    Plötzlich
wurde mir bewußt, daß sie mich nachdenklich musterte.
    »Denken
Sie nur an eines, Randall, ja ?« bat sie.
    »Aber
ganz gewiß«, versprach ich ohne zu zögern.
    »Nämlich
daran, daß die anderen alles Lügner sind !«
    »Wer?
Wieso ?« stotterte ich, und dann war ich doppelt
verwirrt, denn Cheryl stand plötzlich nicht mehr neben mir. Nach ihrer
Pauschalanklage hatte sie auf dem Absatz kehrt gemacht und war um die Hausecke
verschwunden, noch bevor mein juristisch geschulter Verstand die Beweisaufnahme
meiner Augen verarbeitet hatte.
    Ich
starrte an der grauen Steinwand des Hauses hinauf, dessen kleine Fenster mit
Läden gegen den Wind gesichert waren, dann wandte ich mich um und suchte den
ebenso grauen Ozean ab, der majestätisch zu meinen Füßen wogte. Ein
atemberaubender Anblick, aber nicht gerade gemütlich.
    So
zog ich an der Glocke, und kurz darauf öffnete sich die Tür.
    »Treten
Sie ein«, sagte eine hohe, quiekende Stimme, und ich gehorchte zögernd.
    Die
Eingangshalle lag im Dunkeln, und ich brauchte einige Sekunden, ehe ich den
schattenhaften Riesen ausmachen konnte, der vor mir stand. Dann aber wich ich
an die kalte Steinwand hinter mir zurück. Soweit ich es im Finstern beurteilen
konnte, trug er einen schwarzen Anzug, weißes Hemd und schwarze Krawatte. Er
war größer als ich mit meinen
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