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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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Nachtruhe zurück, denn bei Sonnenaufgang hatten sich alle Einwohner des
    Dorfes vor seinem Zelt zu versammeln, Kinder, Alte und Kranke eingeschlossen. Nur Schwerkranke waren von diesem Befehl ausgenommen.
    Alle fanden sich zur festgelegten Stunde ein.
    Alle außer Don Hernando, der in aller Seelenruhe
    weiterschlief – oder zumindest so tat –, während die Geladenen am Strand oder im Schatten der Palmen
    warteten und Hauptmann Sancho Mendana auf- und
    abmarschierte und sich in den Schnurrbart biß. Denn eigentlich hatte er große Lust, auf die höchste Zinne seiner Festung zu klettern, die Kanonen um 180
    Grad drehen zu lassen und das provozierende Sym-
    bol einer so schreienden menschlichen Ungerechtigkeit in Schutt und Asche zu legen.
    »Und dafür habe ich mein Leben im Kampf gegen
    die Piraten riskiert«, grollte er immer wieder vor sich hin. »Verfluchter Hurensohn!«
    Nachdem Don Hernando dann schließlich doch
    aufgestanden war, gefrühstückt und mit gesammelter Inbrunst seine Morgengebete verrichtet hatte, nahm er im großen Thronsessel Platz und ließ sich vor
    seinem Tisch schweigend jede einzelne Familie von Juan Griego vorführen.
    Er musterte sie alle mit strengem Blick und blätterte immer wieder im Bericht, den ihm ein Gehilfe
    reichte. Wenn sich die Dinge nicht binnen eines
    Monats bessern würden, schärfte er allen, die nicht auf der Insel geboren waren, mit ernster Stimme ein, sähe er sich gezwungen, ihre Aufenthaltsgenehmi-gung für die Kolonien zu widerrufen und sie mit
    dem nächsten Schiff zurück nach Zamora, Sevilla
    oder Badajoz zu schicken.
    »Der Krone liegt nicht daran, daß sich die Neue
    Welt in eine Zuflucht für Vagabunden und Tauge-
    nichtse verwandelt«, schärfte er ihnen mit leicht ironischem Unterton ein. »Daher bin ich entschlossen, mit aller mir übertragenen Autorität die Kolonien ein für allemal von allen unnützen Schma-rotzern zu befreien.«
    Alle Bewohner Margaritas, die auf der Insel zur
    Welt gekommen waren, erinnerte er daran, daß die
    Strafe für säumige Steuerzahler sechs Jahre Kerker lautete, und »riet« ihnen daher, so schnell wie möglich mit ihren Booten in See zu stechen.
    »Die Geduld der Krone hat ihre Grenzen«, schloß
    er unmißverständlich. »Und diese Grenzen sind
    nunmehr erreicht.«
    Don Hernandos hochmütige Haltung wandelte sich
    jedoch urplötzlich, als man ihm die bescheidene
    Familie Heredia vorstellte. Denn kaum hatte der
    scheinbar gefühllose Generalbevollmächtigte der
    Casa de Contratación von Sevilla auf Margarita sei-ne Augen auf Emiliana Matamoros gerichtet, ver-
    liebte er sich unsterblich in sie.
    Aus heiterem Himmel schien ihn der Blitz getrof-
    fen zu haben: Seine Stimme versagte, die Hände
    zitterten, als ihm sein Schreiber das Schriftstück reichte, und kaum wagte er den Blick zu heben, aus Furcht, seine Augen könnten das Feuer verraten, das in seinem Herzen zu lodern begann.
    Doch auch ohne diesen Blick wußte das Objekt
    seiner Begierde, was geschehen war, denn seit Emiliana bis drei zählen konnte, hatte es Männern bei ihrem Anblick die Sprache verschlagen.
    Der einzige, der dagegen gefeit war – er sprach ohnehin nicht viel – war ihr Ehemann, und vielleicht hatte sie ihn gerade deshalb geheiratet.
    Doch an diesem heißen Septembermorgen begriff
    Emiliana Matamoros, daß sie, barfuß und lediglich in ein grobes Kattunkleid gehüllt, zur absoluten
    Herrscherin über die Träume und den Willen eines
    Mannes geworden war, den man zu diesem Zeit-
    punkt als unbeschränkten Machthaber der Insel be-
    zeichnen konnte.
    Über zwanzig Jahre grübelte Sebastián Heredia
    Matamoros darüber nach, wie geschehen konnte,
    was er im Inneren seines Herzens niemals akzeptieren sollte: Seine Mutter hatte sich mit Leib und Seele an einen Menschen verkauft, der ihre eigenen
    Leute ausplünderte. Als Don Hernando Pedrárias
    Gotarredona fünf Tage später in seinen Palast nach La Asunción zurückkehrte, nahm Emiliana Matamoros neben ihm Platz, und ihnen gegenüber eine re-
    bellische und empörte Celeste.
    Sebastián aber rannte fort, um sich im Dickicht von Cabo Negro zu verstecken, und schwor sich immer
    wieder, lieber mit einem Stein um den Hals ins Meer zu springen, als auch nur einen Fuß in jene Kutsche zu setzen. Inzwischen schmachtete sein Vater als
    angeblicher Anstifter des »Streiks« der Perlenfischer auf der Insel in einem Verlies der Festung La Galera.
    Eine Woche später, als Sebastián auf der Schwelle seines Hauses
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