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Ins offene Messer

Ins offene Messer

Titel: Ins offene Messer
Autoren: John Baker
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war. Er rollte vorbei, wendete und kam zurück, hielt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. In allen Zimmern im Erdgeschoß brannte Licht. Nur in einem der Zimmer im ersten Stock. Sam wartete fast zwei Stunden.
    Es wäre nett, sofern das Geld weiter hereinkam, diesen Wagen zu verschrotten und sich einen etwas besseren anzuschaffen. Aber nichts Protziges. Etwas, das niemand registrieren würde, aber mit mehr Power. Und vielleicht mit einer Stereoanlage, damit es nicht so langweilig war. Dann konnte er all seine Dylan-Bänder hören. Nein, vielleicht lieber nicht. Irgendein Bastard könnte sie stehlen.
    Das Überraschende war, als sie wieder herauskam, wurde sie von einer Frau zur Tür begleitet. Eine Frau mittleren Alters ohne besondere Merkmale. Eine weiße angelsächsische Protestantin.
    Und, Überraschung, Überraschung, Jane Deacon stieg in ihr weißes Auto und fuhr schnurstracks nach Hause zu ihrem buddhistischen Ehemann.
    Ein Rätsel, schrieb Sam in sein Notizbuch. Ein echtes Rätsel. Dem sollte vielleicht besser mal jemand nachgehen.
     
    Mittwoch überprüfte er in der Bibliothek das Wählerverzeichnis. Nummer 386a, Hull Road, wurde bewohnt von David und Ellen Watson.
    Er klopfte an die Haustür von 386a, aber niemand öffnete ihm. In 387 kam eine Frau an die Tür und machte sie auf, bevor er die Zeit haue anzuklopfen. Sie sah aus wie die Dame, die jeden im Viertel kennt, diejenige, der alle aus dem Weg gehen.
    «Mrs. Watson?» fragte Sam.
    «Nein. Sie meinen das Haus nebenan», sagte die Frau. «Sie wird jetzt allerdings zur Arbeit sein. Er könnte aber da sein. Aber er geht nicht immer an die Tür.»
    «Oje», sagte Sam. «Ich möchte aber mit Mrs. Watson sprechen. Wann erwische ich sie denn?»
    «Normalerweise ist sie gegen sechs zurück», sagte die Frau.
    Sam setzte eine besorgte Miene auf. «Es ist ziemlich dringend», sagte er. «Arbeitet Mr. Watson zu Hause?»
    «Er ist normalerweise immer da», sagte die Frau. «Sein Studio ist oben. Ich habe keine Ahnung, ob er die Klingel nicht hört oder nicht hören will.»
    «Studio?»
    «Ja. Er ist Maler. Porträts.»
    «Stimmt», sagte Sam. «Ja, ich hab davon gehört. Er ist Maler.»
     
    Im Branchenbuch war eine Anzeige:
     
David Watson
Porträts in Öl
Termine nach Vereinbarung
386a Hull Road
     
    «Jesus», sagte Sam. «Sie läßt sich gottverdammt malen.»
     



Kapitel 8
     
    Am Dienstag abend war Jane Deacon ziemlich langsam gefahren, hatte bemerkt, daß der rote Cortina mit Sam Turner am Steuer immer noch hinter ihr war. Sie wollte ihn nicht verlieren. Das wäre un-
    möglich. Er verhielt sich wie ein Profi, hielt stets einen Abstand, manchmal drei oder vier Wagen zwischen ihm und ihr.
    Jane war am glücklichsten, wenn sie eine Situation unter Kontrolle hatte. Es passierte etwas, sie ließ Dinge geschehen, überließ nichts einfach nur dem Zufall. Ihre Mutter war gestorben, als Jane noch ein Kind war, ein kleines, sechsjähriges Mädchen. Am einen Tag war sie noch dagewesen und hatte sie bemuttert, am nächsten war sie weg. Das war Zufall, so etwas machte der Zufall, riß einem die Welt unter den Füßen weg. Seitdem hatte Jane daran gearbeitet, ihre Welt unter Kontrolle zu halten. Damit sie nicht einfach so verschwand.
    Der Wagen war allerdings eine Belastung, der Cortina. Er war so alt, man mußte ihn einfach bemerken. Sie hoffte, daß er zuverlässig war. Wollte nicht, daß er eine Panne hatte. Denn immerhin, Sam Turner war ihr Alibi.
    An diesem Abend fühlte Jane sich gut. Sie hatte gebadet, sich die Haare gemacht, und sie wußte, daß sie in diesem Kostüm gut aussah. Man konnte eine Ewigkeit Kleider suchen und doch nie eines wie dieses finden. Paßt immer und überall, ein teures Material, das sich an genau den richtigen Stellen anschmiegte, und die Farbe harmonierte perfekt mit Janes Teint, ihren Haaren, ihren Augen. Sie warf einen Blick in den Spiegel, um sich zu vergewissern, daß er noch da war. Ja, zwei Wagen zurück.
    Es war schade, daß sie nicht wußte, wie er aussah. Wenn er auch nur annähernd so war wie sein Wagen, dann war nicht viel mit ihm los. Sie stellte ihn sich als schmuddeligen, kleinen Mann vor, vielleicht jemand, der sich die Zigaretten selbst drehte, Nikotinflecken an den Fingern. Sie wußte, daß er in Wirklichkeit nicht so aussehen würde, denn so jemanden würde Terry nicht kennen. Aber genau so ist er in seinem Inneren, dachte sie. Nikotinflecken auf seiner Seele.
    Nach der Sitzung war er immer noch da, erledigte
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