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Ins offene Messer

Ins offene Messer

Titel: Ins offene Messer
Autoren: John Baker
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wurde. «Wie geht’s dir?» fragte er.
    «Sam?» sagte sie. «Meine Güte, einen Moment lang dachte ich schon, es wäre einer dieser Telefonstöhner.»
    «Hat schon mal einer angerufen?» fragte er.
    «Nein, noch nie. Aber man hört so viel über sie.»
    «Wenn du magst, stöhne ich dir was in den Hörer. Sage unanständige Sachen. Was immer du gern hättest.»
    Wanda lachte. Ein schrilles Lachen, verlegen, aber auch interessiert, ein bißchen verängstigt vielleicht. «So spricht man nicht mit einer Dame», sagte sie.
    «Wirklich? Dann muß ich bislang immer die falschen kennengelernt haben.»
    «Wahrscheinlich. Bei deinem Beruf.»
    «Ja», sagte er. «Ich treffe alle möglichen Leute. Sind deine Kids, ich meine, deine Kinder, sind sie weg?»
    Wanda lachte wieder. «Vor ungefähr einer Stunde.»
    «Und was machst du jetzt?»
    «Nichts. Mit dir reden. Ich habe gebadet.»
    «Was hast du an?»
    Ihr Lachen perlte durch die Leitung.
    «Was hast du an?» fragte Sam wieder, kam langsam in Stimmung.
    «Meinst du das im Ernst?» fragte sie.
    «Ich habe zweimal gefragt.»
    «Es ist so eine Art Hausmantel», antwortete sie.
    «Ein Bademantel? Welche Farbe?»
    «Nein. Er ist aus Seide. Es ist ein roter, seidener Morgenrock.»
    «Kurz?»
    «Lang. Bis zu den Knöcheln.»
    «Klingt nett», sagte er. «Ich wünschte, ich wäre bei dir.»
    «Ja.» Ihre Stimme nahm die Ecke in die Wehmütigkeit. «Wenn du nicht ein so vielbeschäftigter Mann wärst...»
    «Soll ich rüberkommen?» fragte er.
    «Nein. Später», sagte sie. «Ich koche uns was. Komm so gegen acht.»
    «Zieh dich aber nicht um», sagte er und legte auf. Er schlug mit der offenen Hand auf die Wand. «Ja», sagte er. «Ja. Ja. Ja.»
     
    Sam fuhr einen sehr alten Cortina. Er erinnerte ihn an Brenda, jedesmal wenn er ihn sah. Genau wie sie schaffte er es jeden Morgen aufs neue, ihm den Tag zu versauen. Er mußte ihn verhätscheln, ganz behutsam mit ihm umgehen, praktisch erahnen, in welcher Stimmung er sich befand. Er tröstete sich mit der Tatsache, daß er, wie Brenda, nicht für den Rest seines Lebens halten würde. Worte in seinem Kopf... Und sie war einmal meine große Liebe.
    Er warf seinen Parka und die Wanderschuhe auf den Rücksitz des Biests. Es hatte sich angehört, als wollte Wanda, daß er die Nacht
    über blieb, und da konnte er ruhig schon mal alles für die Wanderung morgen mitnehmen.
    Er fuhr nach Bishophill und parkte fünfzig Meter vom Haus der Deacons entfernt. Es war eine Sackgasse, auf beiden Straßenseiten parkten Autos. Sam würde rückwärts wieder heraussetzen müssen. Er stellte den Innenspiegel so, daß er das Törchen sehen konnte, drehte sich eine Zigarette und wartete. Kurz nach sechs kam Jane Deacon vor ihm um die Ecke, bepackt mit Päckchen und Plastiktragetaschen.
    Sie sah wirklich super aus, besser noch als auf dem Foto. Kurze blonde Haare und blaue Augen. Ein gehässiger, kleiner Mund, um das Gesicht etwas aufregender zu machen. Und Beine bis zum Himmel. Falls sie sich tatsächlich einen neuen Freund gesucht hatte, hatte Deacon demnächst allerdings was zu vermissen.
    Sie kam am Wagen vorbei, und Sam betrachtete ihre Kehrseite im Spiegel. Ein angenehmer Anblick. Ein äußerst angenehmer Anblick. «Wir sehen uns am Dienstag», sagte er leise, als sie durch das Tor des großen Hauses ging. Des sehr großen Hauses, eines wie in den Illustrierten beim Arzt.
     
    Wanda öffnete die Haustür in einem kleinen schwarzen Fummel. Um den Hals trug sie eine dünne Perlenkette. «Du hast dich umgezogen», sagte er.
    «Mir war kalt.» Sie führte ihn in das geräumige Wohnzimmer. Der Eßtisch am anderen Ende war gedeckt für zwei. Kerzen. Weingläser.
    «Du siehst super aus», sagte er.
    «Ein Mädchen muß es versuchen.»
    «Manche mehr als andere. Du brauchst nicht viel zu tun.»
    Sie servierte einen Braten und schenkte Wein in sein Glas. «Du sagst halt?» fragte sie.
    Sam sagte nichts. Burgunder war okay; er hatte schon härteren Stoff gesoffen. Wenn man sich Mühe gibt, kommt man mit Wein jedoch klar - man muß glauben, der stärkste Mann der Welt zu sein. Der Trick besteht darin, nicht mehr als ein Glas zu trinken, sich nie nachschenken und es nie leer werden zu lassen. Sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen. Nur dran nippen. Soll sie doch den Rest der Flasche trinken, wenn sie will.
    Er nahm das Glas in die Eland und sah sie an. «Auf uns», sagte er.
    «Darauf trinke ich», sagte Wanda.
    Nach dem Käsekuchen machte sie Kaffee, und sie
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