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Ins offene Messer

Ins offene Messer

Titel: Ins offene Messer
Autoren: John Baker
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angebunden.»
    «Vierzig Pfund pro Tag», sagte Sam. «Plus Spesen.»
    «Ja. Wieviel auch immer. Ich will das geklärt haben.»
    Sam wartete. Dachte, vielleicht war er zu billig, hätte fünfzig pro Tag verlangen sollen, vielleicht sogar sechzig. Er schaute zu dem anderen Tisch hinüber. Die junge Frau stand auf und ging zur Toilette. «Ich brauche einen Vorschuß», sagte er.
    «Oh, natürlich.» Deacon griff nach seiner Brieftasche.
    «Sagen wir zweihundert», sagte Sam. «Ich werde genau Buch führen. Sie erhalten eine detaillierte Rechnung.»
    «So viel habe ich nicht dabei. Ist ein Scheck auch in Ordnung?»
    Sam biß sich auf die Lippe. «Etwas Bargeld war nicht schlecht», sagte er.
    Deacon inspizierte den Inhalt seiner Brieftasche. Er gab Sam sechzig in bar und einen Scheck über einhundertvierzig.
    Die jüngere Frau kehrte von der Toilette zurück, und ihre Mutter und der Bruder standen zum Gehen auf. Sam klappte sein Notizbuch zu und griff nach der Kamera. «Ich muß jetzt los», sagte er.
    «Wann höre ich von Ihnen?» fragte Deacon.
    «Geben Sie mir eine Woche», sagte Sam. Er zeigte auf die leeren Tassen. «Übernehmen Sie das, in Ordnung?»
     

Kapitel 4
     
    Frances ging zum Supermarkt. Sie kaufte eine dieser Probenpackungen von Kellogg’s, eine Auswahl der verschiedenen Frühstücksflocken in kleinen Portionsschachteln. Ein paar Becher Joghurt. Zehn Eier und eine Packung Frühstücksspeck. Sie kaufte einen kleinen Kuchen. Ein Genuß.
    Ihr Haus in Clifton war klein, aber warm, da es in der Mitte einer Häuserreihe stand. In der Küche räumte sie ihre Einkäufe ordentlich ins Regal. Joghurt, Eier und Speck kamen in den Kühlschrank. Dort stand ebenfalls, auf einem Teller, eine Zwiebel sowie etwas übriggebliebene Lasagne.
    Die Nachbarn waren neugierig, aber sie ignorierte sie. Frances war nicht sehr gesellig. Sie konnte auf herumschnüffelnde Nachbarn verzichten. Frances brauchte überhaupt niemanden. Sie hatte eine Arbeit zu erledigen.
    Sie war eine kräftige, untersetzte Frau. Vierunddreißig Jahre alt. Es roch im Haus, irgendwo in der Küche. Frances legte eine Schürze um und füllte einen blauen Plastikeimer mit heißem Wasser aus dem Hahn. Sie ging auf Hände und Knie und schrubbte den Boden, machte es zweimal, legte ihre ganze Kraft in das Scheuern mit der Bürste. Dann füllte sie den Eimer erneut mit klarem Wasser und bearbeitete den Boden noch einmal, spülte ihn, bis er glänzte.
    Im Wohnzimmer nahm sie Grahams Loseblattordner mit Gedichten heraus, schlug ihn willkürlich an einer Stelle auf und begann zu lesen. In ihrem Kopf konnte sie Grahams Stimme hören. Den kaum merklichen neuseeländischen Akzent hatte er nie verloren. Sie sah die Worte an, und Grahams Stimme sprach in ihrem Kopf. So funktionierte es.
    Die Hälfte der Gedichte waren über sie. Liebesgedichte. Gedichte, mit denen Graham Nächte verbracht hatte, er schuftete an ihnen, brachte sie ihr morgens. Sie mochte diese Gedichte. Sie waren eine angemessene Erinnerung an Graham. An sie auch. An ihre Beziehung.
    Bei der anderen Hälfte der Gedichte ging es um andere Menschen. Menschen, die sie nicht oder nur kaum kannte. Sie handelten von Bastarden und Flittchen. Menschen, die Graham benutzt und gequält
    hatten. Menschen, die sein Leben ruiniert hatten, bevor sie ihn kennenlernte.
    Manche von Grahams Gedichten schickte Frances immer noch an Magazine. Für gewöhnlich kamen sie mit einer Absage zurück. Aber zuweilen wurde eines veröffentlicht. Eines Tages würde sie dafür sorgen, daß die ganze Sammlung in einem Buch veröffentlicht wurde. Das hätte Graham auch getan. Das war es, was Graham vor allem anderen wollte.
    Bei dem Gedanken mußte Frances lächeln. Sie lauschte Grahams Stimme in ihrem Kopf, und gleichzeitig spürte sie, wie sich das Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. Es kam heutzutage nicht mehr so oft, dieses Lächeln, aber wenn es soweit war, in Augenblicken wie diesem, wenn sie allein war mit Graham, dann war es das gleiche alte große große Lächeln, das er an ihr immer so geliebt hatte.

     



Kapitel 5
     
    Um fünf Uhr am Samstag nachmittag rief er Wanda an. Auf seinem Tapedeck lief Desire, und er ließ es laufen, während er die Nummer eintippte. Sie nahm den Hörer ab und wiederholte die Nummer, die er gerade gewählt hatte. Ihre Stimme war Brendas nicht unähnlich. Sie verschwendete keine Worte.
    Sam wartete ein paar Sekunden, bevor er sprach. Er spürte, wie sie am anderen Ende der Leitung angespannt
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