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Innerste Sphaere

Innerste Sphaere

Titel: Innerste Sphaere
Autoren: Sarah Fine
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dass ich das alles mit ihr durchziehen würde.
    Als ich mich wieder umdrehte, sah sie mich mit ihrem Gedankenleserblick an. »Du würdest mir fehlen, Lela. Aber keine Sorge. Wir gehen zusammen aufs College – und zwar hier. Ich brauche dich, damit ich nicht die Nerven verliere.«
    Das hatte sie schon öfter mal zu mir gesagt. Dass ich sie davon abhalte durchzudrehen. »Du traust mir viel zu viel zu«, murmelte ich.
    »Und du traust dir viel zu wenig zu. Komm schon. Ich brauche dich. Du musst mich jeden Morgen mit einem Tritt in den Hintern aus dem Bett holen, damit ich nicht zu spät zur Vorlesung komme – dafür bist du doch berühmt.« Sie faltete die Hände unterm Kinn und klimperte mit den Wimpern. »Teilen wir ein Zimmer?«
    »Ein Zimmer teilen? Hast du schon mal mein Zimmer gesehen?« Ich lachte, wollte mir nicht zu große Hoffnungen machen. Schließlich hatte ich noch nicht mal eine Zusage.
    Sie zuckte die Achseln. »Es ist ein bisschen unordentlich und du hast eine seltsame Schwäche für Fotografie. Aber damit kann ich leben.«
    »Hey, die Kamera hast du mir doch selbst geschenkt.«
    Sie lachte. »Das hab ich schon mehr als einmal bereut. Ich habe ein Monster geschaffen.«
    Mein Leben lang hatte ich versucht zu vergessen, was mir passiert war. Seit ich Nadia kannte, hatte ich Augenblicke, an die ich mich erinnern wollte, die mir eine Menge bedeuteten. Als sie mir diese Kamera zum siebzehnten Geburtstag geschenkt hatte, war das, als hätte sie mir die Erlaubnis gegeben, das alles einzufangen, als hätte sie gesagt, dass wir echt befreundet sind.
    »An deinem Geburtstag hast du dich nicht beklagt.«
    »Nein. Das Foto, das du mir geschenkt hast, ist schön.« Ich hatte mich richtig ins Zeug gelegt für die perfekte Aufnahme von ihrer Lieblingsstelle an der Küste von Newport; stundenlang hatte ich auf den Felsen gehockt, bis die Sonne genau an der richtigen Stelle angelangt war.
    Nadia grinste als wüsste sie, was ich dachte. »Ich hab einen neuen Rahmen besorgt – wir können es in unser Zimmer im Wohnheim hängen!« Impulsiv umarmte sie mich und ich zuckte zurück, ein Reflex, den ich nicht unterdrücken konnte. Nach einem Jahr Freundschaft flippte ich immer noch aus, wenn sie mich anfasste – zu viele Leute hatten mich ohne Erlaubnis angegrabscht und jetzt war dieses instinktive Zurückschrecken ein Teil von mir, ganz gleich wie sehr ich mir wünschte, ich könnte es loswerden. Sie ließ die Arme sinken und lächelte reumütig, was es noch schlimmer machte. Sie hatte ja nichts falsch gemacht. Dass ich kaputt war, lag nicht an ihr.
    Ein leises Klappern riss mich aus dem Schlaf – eine Erlösung, weil ich schon wieder einen Albtraum hatte. Nach dem, was mir Rick, mein ehemaliger Pflegevater, angetan hatte, hätte man vermuten können, dass er in meinen Träumen herumspukte. Immerhinhatte er etwas damit zu tun – denn er hatte mich wiederbelebt in der Nacht, als ich mich umbringen wollte. In den Augenblicken, bevor er mich zurückholte, war ich überzeugt, dass ich vor den Toren der Hölle stand und gleich aufgesogen würde. Leider brachte ich, als ich wieder zu Bewusstsein kam, ein Stück Hölle mit zurück. Und davon träumte ich. Jede Nacht. Eine dunkle, von Mauern umgebene Stadt. Ich irre umher. Ausweglos. Eine Stimme, die mir zuflüstert:
Du bist perfekt. Komm zurück.
    Bleib.
    Schaudernd setzte ich mich auf, schüttelte den Traum ab, lauschte angestrengt. Tegans leises Schnarchen kam von der Couch an der gegenüberliegenden Wand. Und Nadia lag nicht in ihrem Bett.
    Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch stand ich auf, tapste durchs Zimmer, sah den gelben Lichtstreifen unter Nadias Badezimmertür. Ein leises Wimmern. Ich biss die Zähne zusammen und klopfte. »Nadia?«
    »Ich komm gleich raus.«
    Meine Hand umschloss den Türknauf. »Ich komm rein.«
    Sie saß auf dem Fußboden und wischte sich mit den Fingern eine Träne aus dem Gesicht, als ich eintrat und die Tür hinter mir zumachte. Das Pillenfläschchen hielt sie noch in der Hand.
    Ich setzte mich vor ihr auf die Fliesen. »Was ist los?«
    Sie schloss die Augen. »Ich konnte nicht schlafen.«
    Ich nahm ihr das kleine braune Pillenfläschchen aus den schlaffen Fingern. Das Etikett war abgekratzt. Ich drückte auf den Deckel, drehte und schaute hinein. Kleine grüne Pillen, auf ihren runden Gesichtern war OC aufgedruckt.
Gottverdammt.
»Du hast mir gesagt, dass du mit dem Zeug fertig bist.« Das hatte sie mir sogar schon ein paar Mal
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