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Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)

Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)

Titel: Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)
Autoren: Dr. Anja Dostert
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Krankenhauses. Alle an der Produktion beteiligten Personen sind mit Schutzkleidung und Häubchen bekleidet, Lebensmittel werden mit Handschuhen angefasst. Die italienische Mama, die auf der Nudelsaucenverpackung in den Töpfen rührt, die gibt es nicht, genau wie die Kühe, die auf der taufrischen Bergwiese grasen. Die heutige Hochleistungsmilchkuh würde bei reiner Grasnahrung elend verhungern. Sie braucht energiehaltige Spezialnahrung, um zu überleben. Trotzdem tut die Industrie alles dafür, diese Illusion aufrecht zu erhalten. Auf Verpackungen wird mit Begriffen wie „Heimat“, „aus der Region“, „traditionell“ oder „nach Hausfrauenart“ suggeriert, es handele sich um etwas Ursprüngliches. Manchmal kommen für die Industrie unangenehme Wahrheiten zum Vorschein, dann sind die Konsumenten verunsichert. Vertrauen wurde schon oft verspielt, Verbraucher sind für die Methoden der Branche sehr sensibel geworden.
    Wir werden von der Lebensmittelindustrie mit Lebensmitteln gleichbleibender Qualität versorgt, die in aller Regel hygienisch einwandfrei sind. Verdorbenes Essen und fehlende Hygiene war in der menschlichen Vergangenheit neben der fehlenden medizinischen Versorgung ein wichtiger Grund für die verkürzte Lebenserwartung der Menschen. Die Industrie geht heute jedoch weiter: Die Lebensmittel werden in jeder Hinsicht optimiert, Hersteller gestalten das perfekte Kundenerlebnis. Man optimiert sogar den Klang der Lebensmittel. Die Schokolade splittert mit einem knackig-krachenden Ton vom Eis, wenn wir hineinbeißen. Chips müssen im Mund perfekt knuspern und dürfen uns dabei trotzdem nur wenig Widerstand beim Kauen bieten, damit wir weiteressen.
    Der Mensch ist auf diese Kunstwelt nicht vorbereitet. Ein Tier entscheidet anhand seiner Sinne, ob es etwas isst oder nicht. Der Mensch betrachtet die Verpackung und wägt beim Entscheiden die Informationen der Medien, der Ernährungsberater und die unbewusst abgespeicherten Werbebotschaften ab.

Auf dem Zitronenmarkt
    Die Lebensmittelproduzenten haben es versäumt, Vertrauen aufzubauen oder wenigstens zu erhalten. Stattdessen hat ein Skandal nach dem anderen die Verbraucher erschüttert. Die Menschen haben abgespeichert, dass der Industrie nicht zu trauen ist. Man bezeichnet Märkte, die sich durch fehlendes Vertrauen auszeichnen, als Zitronenmärkte (englisch: lemon markets).
    Der Käufer auf dem Zitronenmarkt ist sich beim Kauf des Produktes nicht sicher, ob er wirklich gute Qualität erhalten wird, da er dem Händler nicht vertraut. Deshalb ist der Verbraucher geizig, er berücksichtigt im Geiste das Risiko, beim Kauf eine schlechte Qualität (die saure Zitrone) zu erwischen. Weil der Verbraucher geizig ist, haben teure Anbieter einen schlechten Stand, auch wenn sie bessere Qualität anbieten. So werden diese im Zitronenmarkt nach und nach verdrängt. Um zu überleben, reduzieren sie ebenfalls die Qualität.
    Der Geiz der Verbraucher hat seine unmittelbare Ursache nicht in der Sparsamkeit, sondern im fehlenden Vertrauen. Daher kaufen heute auch gut verdienende Menschen bei Discountern ein, da sie davon ausgehen, anderswo auch keine besseren Produkte zu erhalten. Aus dem Zitronenmarkt gibt es nur einen Ausweg: Vertrauen muss wieder aufgebaut werden. Auf diesen Weg hat sich die Nahrungsmittelindustrie nicht begeben. Lieber versucht man, mit oberflächlicher Kosmetik den Produkten einen besseren Anschein zu geben und den Verbraucher gezielt zu täuschen, immer mit Blick darauf, die Gesetze noch gerade eben einzuhalten.
    „Es ist verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben.“
    (Vorschriften des Lebensmittelgesetzes zum Schutz vor Täuschung)
    Kaum ein anderer Paragraph wird so kreativ umschifft wie dieser. Teilweise verstoßen Hersteller auch absichtlich gegen das Gesetz: Wo kein Kläger, da kein Richter. Es bleiben jedoch genügend legale Tricks, um den Verbraucher zu täuschen. Im Folgenden werden die beliebtesten und dreistesten Methoden unter die Lupe genommen. Einige dieser Methoden täuschen nur das Portemonnaie, indem sie einen Wert suggerieren, der nicht vorhanden ist. Andere Produkte täuschen Gehirn und Körper des Menschen und fördern so den Appetit.

Imitate
    Imitate von Lebensmitteln sind günstiger als die Originalprodukte. Im Einleitungskapitel wurde ein
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