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Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)

Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)

Titel: Industriepampe: Wie die Kunstprodukte unser Körpergefühl blenden (Ernährungs- und Bewegungsbibliothek)
Autoren: Dr. Anja Dostert
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Fremdstoffe können sofort abgebaut und unschädlich gemacht werden. Dann gelangen die Nährstoffe ins Blut und werden von dort an alle Orte transportiert, wo sie benötigt werden.
    Die im Darm verbleibenden Ballaststoffe werden im Dickdarm eingedickt, das Wasser wird zurückgewonnen. Nicht mehr benötigte Stoffe werden ausgeschieden. Im Dickdarm leben viele Bakterien, die Ballaststoffe aufschließen und verwerten. Ein Zuviel an Ballaststoffen kann zu Verdauungsbeschwerden und Blähungen führen, da die Bakterien beim Fressen Verdauungsgase bilden.
    Der menschliche Körper ist mit einer hochwertigen und vielschichtigen Wareneingangskontrolle ausgestattet. Dies beginnt beim Anblick der Nahrung und geht bis hin zum Darmhirn, das die Einzelbestandteile analysiert. Nicht ohne Grund ist der Körper mit vielen Sensoren für das Essen ausgestattet: Nahrungsaufnahme ist überlebenswichtig. Die Sensoren haben sich im Laufe der Evolution an die Nahrung angepasst, die dem Menschen zur Verfügung stand. Die Nahrungsmittelindustrie hat heute viele Möglichkeiten, den Menschen und die Sensoren des Körpers zu täuschen. Viele unserer Sinne können mit einfachen technischen Mitteln verschleiert werden. Doch das Darmhirn lässt sich nicht täuschen, es erkennt, was es bekommt. So wird der Körper ausgetrickst und verwirrt. Im nächsten Kapitel schauen wir uns die Methoden der Industie genau an.

Die Nahrungsmittelindustrie
    Im Lebensmittelchemie-Studium hatte ich einen Dozenten, der Lebensmitteltechnologe war. Dieser Dozent erzählte in der Vorlesung, dass er oft gefragt wurde, warum er denn nicht als Lebensmitteltechnologe arbeite. „Dazu fehlt mir die kriminelle Energie!“ war seine Antwort. Lebensmitteltechnologen kreieren Lebensmittel, die möglichst wenig kosten und sich möglichst gut verkaufen. Kriminell im Sinne des Gesetzes ist dies nicht, aber die Industrie bewegt sich haarscharf am Rande der Legalität, um die gesteckten Gewinnziele zu erreichen.
    Ein klassisches Beispiel ist das Bourbon-Vanilleeis: Die zahlreichen dunklen Krümel stammen zwar aus der Vanilleschote, aber das wäre im Grunde zu teuer für ein günstiges Discounter-Eis. Also werden solche Vanilleschoten fein gemahlen, die vorher bereits von ihrem wertvollen Aroma befreit wurden. Kauft der Verbraucher eine Schote, so kratzt er das Mark aus. Die Industrie vermahlt die Schale natürlich mit, die dunklen Punkte sind echte Vanille, der das Vanillearoma fehlt. Der wertvolle Vanilleextrakt wird in hochwertigen und teuren Produkten eingesetzt. Das noch aromalose Eis wird dann mit natürlichem Aroma versetzt, das aus Abfallstoffen der Papierherstellung gewonnen wird. Früher setzte man fein gemahlenen schwarzen Tee ein, um die schwarzen Pünktchen zu erzeugen. Man verwendete genau die Menge, die man nach damaligem Gesetz geradeso nicht deklarieren musste. Dann ergänzte man genau soviel Bourbon-Vanille, dass man sie soeben deklarieren durfte.

Eine Kunstwelt
    Wenige Lebensmittelkonzerne beherrschen den Markt. Die Industrie möchte Gewinne machen. Dazu müssen möglichst viele Kunden die Produkte kaufen und essen. Früher wurden 50% des Einkommens in Lebensmittel investiert, heute sind es nur noch 10%. Die Bevölkerung wächst nicht mehr, also wird es immer schwieriger, den Umsatz zu steigern. Die Rohstoffe müssen möglichst billig sein, deshalb werden in der Produktion maßgeschneiderte Vorprodukte eingesetzt, die von hochspezialisierten Zulieferern eingekauft werden. Es gibt Spezialisten für Aromastoffe, für Gelier- und Verdickungsmittel, für Konservierungsstoffe und für Farbstoffe. Die Zulieferer stellen Vorprodukte her, die technische Meisterwerke sind. Es werden spezielle Hefen gezüchtet, die besonders viel Glutamat produzieren. Diese werden so verarbeitet, so dass das entstehende Spezialprodukt genau die richtigen Eigenschaften hat. Diese Produkte werden teilweise maßgeschneidert, die Zulieferer arbeiten oft mit ihren Kunden zusammen, um ein spezielles lebensmitteltechnisches Problem zu lösen. Die Zulieferer wiederum haben weitere spezialisierte Zulieferer, darunter zahlreiche Unternehmen der Chemie.
    Wir leben heute in einer konstruierten Lebensmittel-Traumwelt. Chemie und Technik in der Realität, Werbewelten suggerieren Natur, Tradition, Ursprünglichkeit und Gesundheit. Die Natur wird von der Lebensmittelindustrie durch eine kostengünstige Naturillusion ersetzt. In Unternehmen der Lebensmittelbranche geht es zu wie auf der Intensivstation des
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