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Indische Naechte

Titel: Indische Naechte
Autoren: Mary Jo Putney
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Morgen, Laura«, sagte er. »Ich weiß, daß Sie viel zu tun haben müssen, aber ich wollte Ihnen noch auf Wiedersehen sagen, bevor Sie abreisen.« Er schluckte und setzte dann einfallslos hinzu: »Es ist ziemlich heiß heute.«
    »Doch bald wird das kühle Wetter für sechs wundervolle Monate Einzug halten.« Laura bedeutete ihm, sich hinzusetzen, und suchte sich einen Korbsessel, der in sicherer Entfernung von dem seinen stand. Dennoch war sie sich sehr deutlich seines Verlangens bewußt. Seit sie vierzehn war, warfen Männer ihr lüsterne Blicke zu, und selbst mit geschlossenen Augen konnte sie das heiße, wortlose Drängen der männlichen Gier spüren.
    Gott allein mochte wissen, warum so viele Männer sie begehrten, denn sie war keine Schönheit und tat ganz gewiß nichts, was Verehrer ermutigen könnte. Trotzdem war die verlangende Bewunderung stets vorhanden, bei den meisten Männern allerdings durch die Erziehung gezügelt und daher kein Problem. Emerys unverhohlenes Verlangen jedoch brachte sie immer wieder in Verlegenheit. Und das war schade, denn sie mochte seine Intelligenz und seine freundliche Ernsthaftigkeit. Sie hätten bessere
    Freunde sein können, wenn er nicht so offensichtlich hinter ihr hergewesen wäre.
    Als Tee und Jelabi -Kuchen serviert waren, sagte der junge Beamte: »Wäre es denn nicht günstiger, auf kühleres Wetter zu warten, bevor Sie die Reise antreten? Die Flitze ist so ermüdend!«
    »Aber das Lagern im Freien ist sehr anregend«, antwortete sie mit einem Lächeln. »Wir freuen uns schon seit Wochen darauf. Vater meint, die Reise durch seinen Distrikt ist das Wichtigste überhaupt an seinem Amt.«
    Mit niedergeschlagenen Lidern rührte Emery in seinem Tee. »Ich... wir werden Sie und Ihren Vater auf der Station vermissen.«
    »Wir sind zurück, bevor Sie es bemerken«, sagte sie.
    »Erst kurz vor Weihnachten.« Er zögerte, als müßte er sich sammeln, um etwas Wichtiges zu sagen.
    »Die Wildschweinsaison kommt, und Sie werden sehr viel zu tun haben«, warf Laura ein und wechselte damit geschickt das Thema. »Vater sagt, Sie haben ein herrliches neues Pferd von einem afghanischen Händler erstanden?«
    Emerys Miene hellte sich auf, und er begann sein Pferd zu beschreiben, was sie sicher durch den Nachmittagstee lavierte. Laura nickte an den richtigen Stellen, nippte an ihrem Tee, konnte aber das unangenehme Wissen einfach nicht verdrängen, daß sie Emery nicht dauernd auf Abstand halten konnte. Früher oder später würde er um ihre Hand anhalten. Dieser Antrag war noch nicht einmal besonders schmeichelhaft, denn mindestens die Hälfte aller britischen Junggesellen, die sie in Indien kennengelernt hatte, hatten dies getan. Europäische Mädchen waren so knapp gesät, daß selbst pferdegesichtige und spitzzüngige Damen haufenweise Anträge erhielten.
    Dennoch - obwohl die Frage unvermeidlich kommen würde, wollte sie das Thema so lange wie möglich hinausschieben, denn ihre Ablehnung würde nur eine unbehagliche Atmosphäre schaffen. Die wenigen Briten in Baipur lebten auf sehr engem Raum miteinander, und alles, was Spannung erzeugte, war zu vermeiden.
    Was wäre so falsch daran, sie ließe sich dazu verleiten, anzunehmen, denn Emery war liebenswert und sehr attraktiv. Mehr als einmal hatte sie sich bei dem Gedanken ertappt, daß er ganz und gar anders als Edward war, so daß eine Ehe mit ihm ihr Sicherheit bieten konnte. Es wäre sicher ein Vergnügen, seine starken Arme um sich zu spüren, seine Lippen auf ihrem, seine Hände...
    Immer wenn ihre Gedanken diesen Punkt erreicht hatten, wurden die Tagträume in einer Woge von Panik ertränkt. Das Problem war nicht Emery, sondern sie, und eine Ehe stand außer Frage.
    Sie trank ihren Tee, stand auf und streckte ihm ihre Hand entgegen. »Ich möchte nicht unhöflich sein, Emery, aber ich muß zu meiner Arbeit zurück. Ansonsten stellen wir demnächst tief im Landesinnern fest, daß uns Tee, Chinin oder sonst etwas Essentielles fehlt.«
    »Wenn Sie etwas benötigen, dann lassen Sie mir eine Nachricht zukommen. Ich sorge dafür, daß es Ihnen augenblicklich geschickt wird.« Der junge Mann mochte ihre Hand nicht loslassen. »Laura... ich muß Ihnen noch etwas sagen.«
    Bevor es jedoch dazu kam, nahte die Rettung in Gestalt von Lauras Stiefvater. Als Kenneth Stephenson die Treppe zur Veranda emporstieg, erfaßte er auf einen Blick die Situation, und in seinen hellblauen Augen erschien ein amüsiertes Funkeln. »Guten Tag, Emery. Sie
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