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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh
Autoren: C. E. Lawrence
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Seidenrock. Das Korsett war mit einem halben Dutzend kleiner Schwungscheiben und Zahnräder aus Metall verziert, wie aus dem Inneren einer alten Maschine. Auf seinem Kopf klemmte eine Sonnenbrille, und seine Füße steckten in knöchelhohen Schnürstiefeln. Das gesamte Outfit vermittelte den Eindruck von viktorianischer Kleidermode, die etwas danebengegangen war.
    »Was bedeutet dieser Aufzug?«, fragte Butts und reckte den Kopf über Lees Schulter.
    »Das ist Steampunk-Mode«, erklärte Chuck.
    »Was ist das?«, wollte der Detective wissen.
    Chuck öffnete die Tür und rief auf den Flur hinaus: »Sergeant Ruggles, könnten Sie bitte mal reinkommen?«
    Er hatte kaum Zeit, sich umzudrehen, als sein allzeit aufmerksamer Sergeant geschniegelt und gebügelt bereits auf der Türschwelle erschien.
    Seit Ruggles den Posten als Mortons diensthabender Beamter übernommen hatte, stellte Lee fest, dass auf dem Revier alles reibungsloser ablief. Rückrufe erfolgten unverzüglich, der Dienstplan wurde mit weniger Gejammer quittiert, und – am wichtigsten – sein alter Freund wirkte entspannter, ausgeruhter und glücklicher. Wobei Chuck sich nicht allzu viele Verschnaufpausen gönnte. Er war ein Arbeitstier, immer schon gewesen, seit Lee ihn kannte. Aber Lee war dankbar für Ruggles und glaubte, Morton ebenfalls, auch wenn dieser sich nie erlaubt hätte, es zu zeigen.
    Ruggles stand stramm, die Vormittagssonne schimmerte auf seinem blanken rosa Schädel. Er konnte nicht älter als dreißig sein, war jedoch kahl wie ein Ferkel. In seinem bulligen Gesicht strahlten kleine blaue Augen.
    »Ja, Sir«, sagte er in reinstem Oxford English, »was kann ich für Sie tun?«
    »Erzählen Sie Detective Butts und Dr. Campbell etwas über Steampunk«, bat Chuck ihn.
    »Sehr wohl, Sir.« Er wandte sich an Butts und Lee. »Nun, sehen Sie, Sir, es handelt sich dabei um eine neuere Variante des Cyberpunk. Er begann zunächst als literarische Bewegung in Anlehnung an Science-Fiction und Fantasy und hat seine eigene Ästhetik. Seine Anhänger stehen auf viktorianische Klamotten à la Jules Verne und H.G. Wells – solche Sachen.«
    Butts kratzte sich am Kinn. »Und wieso steam ? Hat das was mit Dampf zu tun?«
    »Ja, in der Tat. Die Romane und die Geschichten stammen aus einer Zeit, als Dampfkraft noch sehr verbreitet war, Sir«, antwortete Ruggles. »Zugleich spielen sie sich aber tendenziell im Phantastischen oder in der Zukunft ab. Die Bewegung hat auch ihre eigene Musik, und es gibt das Motiv der rebellischen Außenseiter – das ist das Punk-Element.«
    »Himmel«, meinte Butts, »woher wissen Sie denn das alles?«
    Die rötliche Färbung von Ruggles’ Gesicht vertiefte sich noch ein wenig. »Tja, sehen Sie, Sir, ich, äh …«
    »Schon gut, Ruggles, Sie können es ihm ruhig sagen«, redete Chuck ihm gut zu.
    »Ich habe selber mal in einer Steampunk-Band gespielt, wissen Sie, Sir – daheim.«
    »In England?«, erkundigte sich Lee.
    »Ja, Sir.«
    »Und wie hieß sie?«, fragte Butts.
    Ruggles biss sich auf die Lippen.
    »Los!«, sagte Chuck mit leichtem Lächeln. Sichtlich genoss er das Unbehagen seines Sergeants. »Wie war der Name der Band, Ruggles?«
    Ruggles räusperte sich. »The Dastardly Gentlemen.«
    Butts unterdrückte ein Husten. »Wirklich? Die heimtückischen Herren?«
    »Ja, Sir«, entgegnete Ruggles kläglich und starrte auf seine gewienerten schwarzen Schuhe.
    »Vielen Dank, Sergeant«, sagte Chuck und erlöste ihn aus seiner Qual. »Das wäre im Moment alles.«
    »Sehr wohl, Sir«, erwiderte Ruggles und flüchtete.
    »Also«, sagte Lee, »dieses Outfit bedeutet demnach, dass das Opfer Steampunk-Anhängerin war?«
    »Oder zumindest, dass die Kleine es versucht hat«, bemerkte Butts.
    »Was meinen Sie mit versucht?«, fragte Chuck.
    Butts holte sich eine Tasse Kaffee von der Krups-Maschine. Er gab zwei gehäufte Teelöffel Zucker dazu und rührte nachdenklich um.
    »Sie hat so was an sich, das nicht ganz glaubhaft ist. Ich kann es nicht auf den Punkt bringen. Als ob sie nur so tue oder so, verstehen Sie?«
    »Das ist interessant«, sagte Lee. »Vielleicht war sie eine Newcomerin in der Szene?«
    »Irgendwie so was. Keine Ahnung«, entgegnete Butts und nahm einen großen Schluck Kaffee. »Autsch – ist der heiß!«, sagte er und fächelte vor seinem Mund herum.
    »Ich wäre geneigt, Ihren Instinkten zu vertrauen«, meinte Morton.
    »Ich glaube, ich weiß, was er meint«, sagte Lee und beugte sich über das Foto. »Alles, was sie
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