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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh
Autoren: C. E. Lawrence
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sein, Frankensteins Braut ?«
    Chuck Morton warf Butts eine Aktenmappe zu, die dieser mit einer Hand auffing.
    »Sehen Sie sich den Laborbericht selbst an«, sagte er und wandte sich ab, um sich an der vollautomatischen Krups-Maschine auf der Fensterbank eine Tasse Kaffee einzuschenken. Auf dem Sims schwirrte halbherzig eine Fliege herum, ein Überbleibsel des Sommers, der einem viel zu lang vorgekommen und der noch immer nicht vorbei war. Chuck schien von der Reaktion des Detectives nicht im Mindesten beunruhigt. Sie kannten Butts inzwischen gut genug, dachte Lee, um sie einfach zu ignorieren, bis er sich wieder beruhigte – was er letztendlich immer tat. Die drei waren in Mortons Büro zusammengekommen, um über den bizarren Mord an einer jungen Frau zu sprechen, die man vor zwei Tagen in der Bronx gefunden hatte. Der ursprünglich zuständige Detective Fernando Rodriguez hatte wegen eines Krankheitsfalls in der Familie kurzfristig dienstfrei genommen. So war der Fall seinem Kollegen Leonard Butts, einem erfahrenen Mordermittler in diesem Stadtteil von New York, zugeteilt worden.
    Chucks Büro war klein und die Luft, wie üblich, ziemlich stickig. Schmale Streifen der Vormittagssonne schoben sich durch die schmutzigen Jalousien und erwärmten den Staub, der durch die Fensterritzen drang. Die museumsreife Klimaanlage rumpelte und schnaufte energisch, produzierte dabei jedoch höchstens den Anschein kühler Luft, die zudem nach Schmutz und Abgasen roch.
    Mit gerunzelter Stirn las Butts den Bericht. »Schön«, räumte er ein, »Sie haben mich. So steht’s da. Wenn das nicht irgendein Jux ist« – er warf Lee einen kurzen Blick zu –, »dann haben wir es demnach mit jemandem zu tun, der seinen Opfern gern das Blut ablässt.«
    »Zumindest einen Großteil«, korrigierte Chuck.
    »Meinetwegen«, gab Butts zurück. Er hievte seinen dicken Leib aus dem Sessel, trottete schwerfällig zum Schreibtisch und knallte den Laborbericht darauf. »Also eine Art Hightech-Vampir – richtig, Doc?«, fragte er Lee.
    Lee sah Chuck an, der die Augenbrauen hochzog. Das konnte vieles bedeuten, wie er aus der Zeit wusste, als sie sich in Princeton ein Zimmer geteilt hatten. Diesmal jedoch, so vermutete er, bedeutete es, dass er Geduld mit dem Detective haben sollte, dessen finstere Miene an eine mürrische Englische Bulldogge erinnerte. Lee platzierte seinen schlanken Körper auf Chucks Schreibtischkante und fuhr sich durch die schwarzen Haarlocken.
    »Die Tötungsmethode ist exzentrisch genug, dass wir die Möglichkeit in Erwägung ziehen müssen, es mit dem Werk eines –«
    »Ja, Doc, ich weiß, eines Serientäters zu tun haben«, fiel ihm Butts ins Wort. »Sonst wären Sie ja nicht hier, richtig?«
    »Stimmt«, sagte Chuck.
    Lee Campbell war der einzige hauptamtliche Profiler des NYPD . Diese besondere Position war sowohl von Vorteil als auch eine Belastung. Er trug weder eine Waffe noch eine Dienstmarke und war im Grunde ein Zivilangestellter, wenn auch einer, der es mit den gefährlichsten Verbrechern zu tun hatte. Einige Revierkollegen hielten nicht besonders viel von ihm oder seinem Posten, andere wie Detective Butts dagegen hatten Respekt vor ihm, auch wenn sie sich ihm gegenüber ein wenig herablassend verhielten.
    »Wo hat man sie gefunden?«, fragte Lee.
    »Im Van Cortlandt Park«, sagte Chuck. »Nicht weit von der U-Bahn-Station Woodlawn und der Gun Hill Road. Glaubst du, das hat irgendeine Bedeutung?«
    Lee schüttelte den Kopf. »Es ist zu früh, um das sagen zu können.«
    »Also, dann mal los«, sagte Butts. »Was haben wir denn so?«
    Lee nahm sich eines der Fotos vom Fundort und betrachtete es eingehend. Das Mädchen lag auf dem Rücken, das Gesicht friedlich, die Hände über dem Bauch gefaltet. Es gab keine offensichtlichen Verletzungsspuren – dem Anschein nach könnte es auch ein Nickerchen halten, wäre da nicht die graue Blässe seiner Haut. Die Kleine war jung – zu jung –, mit brünettem Haar und einem süßen, engelhaften Gesicht. Sie wirkte wie ungefähr siebzehn, er ertappte sich jedoch dabei, dass er hoffte, sie wäre älter. So ein Unsinn, sinnierte er. Sie war tot, was spielte das also für eine Rolle? Ihre Kleidung war merkwürdig, zumindest dem Aussehen nach, denn bis Halloween waren es noch fast zwei Monate.
    Er setzte sich in den anderen Schreibtischsessel und breitete die Fotos auf Chucks Schreibtisch aus. Das Opfer war ganz in Schwarz gekleidet, trug ein dickes Lederkorsett über einem kurzen
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