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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh
Autoren: C. E. Lawrence
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davon überzeugen, mich zu schonen?« Der junge Mann lachte rau. »Machen Sie sich doch nicht lächerlich.«
    »Bedenken Sie, was Sie tun«, sagte Lee und machte einen Schritt auf ihn zu.
    »Als hätte ich das nicht schon längst!«, gab der Killer zurück und schwang beidhändig das Messer. »Kommen Sie, Sie sitzen doch seit Wochen an meinem Profil, oder nicht?«
    »Was meinen Sie damit?«, erwiderte Lee. Er spekulierte darauf, ihn lange genug in ein Gespräch zu verwickeln, um Zeit zu schinden, bis Unterstützung eintraf – sollte es je dazu kommen. Hinter ihm rührte sich François und hob schwach eine Hand, sprach aber nicht.
    »Ich weiß, wer Sie sind«, sagte der Killer. »Sie sind der Profiler.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Das sollte Sie eigentlich nicht überraschen. Mein Tätertyp ist über Entwicklungen in seinem Fall gern auf dem Laufenden, stimmt’s?«
    »Wenn Sie das sagen.«
    »Ich weiß auch, dass Sie ebenfalls Ihre Schwester verloren haben – genau wie ich. Na ja, vielleicht nicht ganz genauso, aber immerhin.«
    »Damit hat es also angefangen«, murmelte Lee. »Ich dachte mir schon, dass es ein Bruder sein könnte.«
    »Gut, jetzt wissen Sie’s«, spottete der Killer. »Und den Ich-weiß-wie-Sie-sich-fühlen-Scheiß können Sie sich sparen. Der funktioniert nicht.«
    »In Ordnung«, sagte Lee, den Blick auf das Messer gerichtet. Es war lang, gut zwanzig Zentimeter, mit einer hässlich gezackten Spitze. Er umklammerte sein Handgelenk, wo die Klinge eingedrungen war. Sein Jackett war blutdurchnässt.
    »Nur einer von uns wird diesen Raum lebend verlassen«, erklärte sein Gegner ruhig. »Und ich würde nicht darauf wetten, dass Sie das sind.«
    »Warum haben Sie es getan – ihnen das Blut abgelassen?«
    Der junge Mann lächelte. »Sie sind der Profiler. Warum sagen Sie’s mir nicht?«
    »Ich glaube, Sie haben Angst zu sterben, so wie Ihre Schwester.«
    Der Killer schnaubte. »Und dafür bezahlt man Sie? Das ist ja erbärmlich!«
    »Dann sagen Sie mir, was ich übersehe.«
    »Ich hab eine bessere Idee – ich werd’s Ihnen zeigen!«
    Mit diesen Worten drehte er sich um, trat an den Ofen und drückte auf einen Schalter. Das Schubfach glitt auf seinen Metallrädern auf das offene Feuer zu.
    »Nein!«, schrie Lee und stürzte sich auf den Schalter. Der Killer warf sich auf ihn, Lee schaffte es aber noch, auf den Schalter zu drücken, bevor er zu Boden glitt. Er schaute auf und sah den Killer über sich stehen, noch immer mit diesem seltsamen Lächeln im Gesicht. Ein Versuch, nach der Hand mit dem erhobenen Messer zu treten, misslang. Er hatte Schwierigkeiten, scharf zu sehen, und die Benommenheit von vorhin kehrte zurück. Rapide trübte sich sein Sehvermögen immer stärker. Trotzdem sah er die Klinge herabsinken und rollte sich zur Seite.
    Er wollte aufstehen, aber offenbar konnte er seine Beine nicht dazu bringen, ihm zu gehorchen. In ihrem Ziegelgefängnis züngelten und flackerten die Flammen und hypnotisierten ihn. Er spürte, wie ihm die Sinne schwanden, als der Killer ihm einen Fuß auf den Brustkorb stellte und auf ihn herablächelte.
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie zu spät kommen.«
    Metall blitzte über ihm auf, als sich die Klinge senkte.
    Lee schloss die Augen und wartete darauf, dass ihm das Messer ins Fleisch drang. Und wartete – aber nichts geschah. Er öffnete die Augen in dem Augenblick, als François sich von seinem Metallbett wälzte und auf sie zugetaumelt kam. Dabei zog er einen der Pflöcke aus seiner Weste. Der Killer drehte sich ebenfalls um, rechtzeitig genug, um den Holzpflock in François’ erhobener Hand zu sehen. Mit einem brüllenden Schrei stürzte François vorwärts und stieß seinem Gegner den Pflock in die Brust. Doch anstatt von ihm wegzufallen, schlang der Killer die Arme um François und zog ihn an sich.
    »François – pass auf!«, schrie Lee, aber es war zu spät. Das Messer steckte bis zum Heft in seinem Oberkörper. Blut schoss aus den Körpern der beiden jungen Männer, lief ihnen hinunter und vereinigte sich dabei. Auge in Auge sanken sie in einer tödlichen Umarmung zu Boden.
    Lee rappelte sich auf Hände und Füße und kroch zu ihnen. Er legte François die Finger auf den Hals und suchte nach seinem Puls. Als er ihn fand, fasste er Hoffnung, doch das Pochen in der Halsschlagader des Jungen war nur schwach.
    »François«, sagte er, »bleib bei mir!«
    Der Junge schlug die Augen auf und lächelte Lee an.
    »Keine Sorge«, sagte er
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