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In glücklichen Umständen

In glücklichen Umständen

Titel: In glücklichen Umständen
Autoren: Diane Cooper
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mir mit der Hand durchs Haar. «Wer ist es denn? Wie lange ist sie schon da? Hast du den Kamin angemacht und die Buchhaltung versteckt?»
    Ben nickte zu den ersten beiden Fragen, und zur dritten nuschelte er: «Wer würde auf die Idee kommen, ein Konversationslexikon durchzublättern?»
    «Manche Leute stehen auf Lexika», sagte ich scharf, obgleich es mir schwergefallen wäre, jemanden zu nennen. Für mich sind Lexika der ideale Ort, um Dinge abzulegen. Man hat haufenweise Seiten für jeden Buchstaben des Alphabets. Bücher von dieser Größe verlegt man nicht so leicht wie alles andere, was ich vorher benutzt habe, und sie nehmen sich auf einem Regal ganz harmlos aus. Schließlich würde es keinem Steuerprüfer einfallen, ein solches Versteck zu vermuten. Nicht daß ich das Finanzamt je beschummelte. Ich habe noch nie genug Geld verdient, um sie auch nur von ihrem Tee aufblicken zu lassen, aber ich bin nicht umsonst eine geborene Optimistin.
    Die Frau, die auf mich wartete, hatte ihren Mantel noch an. Einen dieser schwarzen, dichtgelockten Pelze, die um alles in der Welt aussehen wie angebrannte Kutteln, und obgleich ich sicher bin, daß sie südwestafrikanischen Lämmern ganz gut stehen, sind sie an älteren Damen, die sie so gern zu ihrer Winteruniform erwählen, absolut fehl am Platz. Ich eilte ins Zimmer und verschluckte mich an meinen Entschuldigungen. Ich knipste die dritte Heizschlange im Kamin an, drückte mein Bedauern aus, daß ich sie warten ließ, meine Verzweiflung, daß sie noch keinen Tee bekommen hatte, und verfluchte mich selbst, weil Charlie, nichts als lange Beine und Zottelhaare, bittende braune Augen und Sabber, an ihrem Knie lehnte und um ein bißchen Freundlichkeit flehte. Ohne den Kopf zu bewegen, erfaßte er mein Eintreffen und legte die Ohren an, als erwarte er, daß ich peitschenschwingend auf ihn losstürzte. Wenn wir allein waren, versuchte Charlie, den eine Freundin namens Jenny, die mit ihrem Freund im Hindukusch Hasch anbaute, in meiner Obhut gelassen hatte, von morgens bis abends, mich von seiner ungeteilten Hingabe zu überzeugen. Doch sobald jemand anders ihn bemerkte, heftete er sich mit stummem Flehen an seine Fersen und warf mir mit allen ihm zur Verfügung stehenden Ausdrucksmitteln Vernachlässigung, Mißhandlung und mangelhafte Fütterung vor. Ein Hundehotel fördert weit komplexere Neurosen zutage als jede Psychiatercouch.
    Die Frau streckte eine Hand aus, um ihn zu beschützen, und ich konnte sehen, daß sie mich für eine Meldung an den Tierschutzverein ins Auge faßte, die sie schreiben würde, sobald sie wieder zu Haus war. «Armes Tier», murmelte sie. «Er wirkt schrecklich traurig. So verängstigt.» Es war eine Anschuldigung. «Es macht nichts, daß ich warten mußte. Ich hätte einen Termin vereinbaren sollen, aber ich war gerade in der Nähe, und wir sollten diese Sache schnell hinter uns bringen.» Sie verströmte Veilchenduft und kompromißlose Autorität.
    Ihre Augen registrierten alles, mich, die Kerbe in Charlies Ohr, die in der falschen Reihenfolge stehenden Lexika und zuletzt den Flitterstern, der vom Weihnachtsbaum übriggeblieben war (ich brauche immer ein Verbindungsglied zwischen dem letzten und dem nächsten Weihnachten). Darauf heftete sich ihr Blick, als sie fortfuhr: «Ich finde offene Gespräche unter vier Augen sowieso immer am besten.»
    Wer, beim Himmel, war sie? Eine erzürnte Ehefrau, deren Mann zu lange brauchte, um seinen Struppi herzubringen? Sollte ich seiner Treulosigkeit beschuldigt werden? Lieber irgendeinen Struppi als den Mann, der sie geheiratet hatte.
    «Sattersthwaite-Pells», sagte sie unvermittelt und strahlte mich endlich an. Es klang, als spräche sie einen Segen. «Monica Sattersthwaite-Pells.» Sie kicherte kehlig und sagte: «In der Schule haben sie Knickers zu mir gesagt, aber in der Branche nennt man mich nur Monty.»
    Branche? Welche Branche? Ich lächelte schwach. Wir gaben uns die Hand. Ich konnte sehen, daß es die einleitende Kampfgeste war, der hingeworfene Handschuh, das Hornsignal. Charlie legte den Kopf zur Seite und warnte mich mit einem langen Blick, auf der Hut zu sein. Ich strafte den Doppelagenten mit Nichtachtung.
    «Ich vertrete die Freunde Beowulfs», sagte Monty Sattersthwaite-Pells stolz, während ich es mir einigermaßen bequem machte und mich so nahe an den Kamin setzte, wie es die Höflichkeit erlaubte, ohne ihn zu verdecken. «Zuerst habe ich gedacht, ich sollte Ihnen schreiben. Aber da ich schon mal
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