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In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)

Titel: In einer regnerischen Nacht: Roman (German Edition)
Autoren: Jodi Picoult
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Fingern über seinen Nacken. Dann beugte sie sich vor und flüsterte ihm ins Ohr: »Die Gerechtigkeit schläft nie.«
    Cameron wachte augenblicklich auf und fuhr so schnell hoch, daß er mit dem Kopf gegen Allies Kinn schlug. Sie taumelte rückwärts, sah einen Augenblick schwarz, dann packte Cam sie am Arm und zog sie auf seinen Schoß. »Mein Gott, Allie«, rief er. »Du hast mir einen Höllenschrecken eingejagt!« Seine Frau rieb sich das Kinn und prüfte es zaghaft, indem sie die Zähne aufeinanderbiß. Cams Finger wanderten aufwärts, um ihr den Hals zu streicheln. »Hast du dir weh getan?«
    Allie lächelte. »Ich habe dir deine Blumen gebracht.«
    Cam rieb sich irritiert die Stirn. »Aber ich habe dir doch gesagt, das brauchst du nicht.«
    »Ich mache es gern«, entgegnete Allie.
    Cam schnaubte. »Wir sind hier in einer Polizeistation, nicht in einer Hotellobby«, stellte er fest. »Wer verhaftet wird, interessiert sich nicht besonders für die Inneneinrichtung. Der bemerkt die Blumen nicht mal.«
    »Aber du bemerkst sie«, drängte Allie.
    Cam schaute in ihre großen braunen Augen, sah die fest verschränkten Hände. »Natürlich«, sagte er leise. »Natürlich tue ich das.«
    Er warf einen Blick durch die offene Tür auf die Theke im Vorraum, wo Allies Strauß stand. Sie war eine Künstlerin; das sagte er ihr oft. Der Kontrast der Farben, von kräftigen Linien, weichen Kurven und die kapriziöse Ausstrahlung der Arrangements verlieh ihren Schöpfungen eine Heiterkeit und Leichtigkeit, die Allie selbst fehlte. Einmal hatte er, als sie in der Arbeit war, heimlich einen Blick in ihr Tagebuch geworfen, in der Hoffnung, Züge an seiner Frau zu entdecken, die sie vor ihm nicht zu offenbaren wagte. Doch er hatte keine wilden Phantasien oder verträumten Erinnerungen gefunden, nur eine Wiedergabe dessen, wie sie Cam gegenüber gehandelt und was sie, zu ihm gesagt hatte, gefolgt von Anmerkungen darüber, was anders besser gewesen wäre.
    Bisweilen wachte er mitten in der Nacht auf, schweißgebadet und in panischer Angst, daß er nach Jahren der Ehe mit Allie ebenfalls anfangen könnte, sein Leben aufzuschreiben, statt es in die Tat umzusetzen.
    »Rate mal, wer heute in den Laden kam«, sagte Allie. Sie rutschte von seinem Schoß, ließ sich auf der Schreibtischecke nieder und baumelte mit einem Bein.
    »Soll ich jetzt jeden in der Stadt durchgehen?« fragte Cam.
    »Verona MacBean!« Allie zog die Stirn in Falten. »Also, ich weiß nicht, ob sie immer noch MacBean heißt, aber jedenfalls handelt es sich um Verona. Sie ist inzwischen eine berühmte Schriftstellerin. In der Bücherei wollen sie ein Prominentenessen für sie geben.«
    »Verona MacBean.« Cam grinste. Er kippelte auf seinem Stuhl nach hinten. ›Die gute alte Verona!«
    »Ach, hör schon auf.« Allie trat ihm spielerisch gegen das Schienbein. »Sie sieht verkniffen und verbiestert aus, und ihre Möpse sind längst nicht mehr so groß wie damals, als sie sechzehn war.«
    »Wahrscheinlich sind sie im Lauf der Zeit nach innen gewachsen.«
    Allie schnappte sich einen Katalog und schlug damit nach Cams Kopf. Ein Hochglanz-Reisemagazin fiel zwischen den Seiten heraus. Mit großen Augen blickte sie auf den sprühend weißen Strand und die schaukelnde rote Schaluppe, die ihr von der Titelseite entgegenleuchteten. Sie nahm es hoch und blätterte neugierig darin. »Na, wenigstens ist es nicht der Playboy «, bemerkte sie. Sie überflog eine Liste von Ferienclubs und betrachtete eingehend eine Werbung mit einer geschmackvoll nackten Sonnenbadenden.
    Cam streckte den Arm aus und zupfte die Zeitschrift aus Allies Hand. Ihm war heiß im Gesicht, sein Kragen zwängte ihn ein; er wollte nicht, daß Allie erfuhr, wovon er tagsüber träumte.
    Als sich Röte in Camerons Gesicht schlich, zog Allie die Brauen hoch. »Ich werde verrückt«, sagte sie. »Du willst was vor mir geheimhalten.« Sie beugte sich zu ihm hinunter. »Nicht daß es mich was anginge oder so, aber ich würde lieber zum Segeln als zum Skifahren gehen.« Unsicher beugte sie sich einen Zentimeter weiter vor, mit offenen Augen, und legte ihre Lippen auf Cams.
    Einen Moment lang ließ Cam ihren Atem über seinen Mund streichen, dann gönnte er ihr einen kurzen Kuß und schob sie von sich. »Nicht hier«, murmelte er.
    »Wo denn dann?« flüsterte Allie, ehe sie sich beherrschen konnte.
    Beide wandten den Blick ab, weil ihnen die vergangene Nacht wieder einfiel. Allies Hände hatten sich über das Bett
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