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In der Kälte der Nacht

In der Kälte der Nacht

Titel: In der Kälte der Nacht
Autoren: Dean R. Koontz
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Dawsons Stimme? Und wenn schon! Salsbury kam zu dem Entschluß, es konnte ihm egal sein, was Dawson von seiner Scheidung hielt. »Wann habt ihr euch denn scheiden lassen?« fragte Dawson. »Vor fünfundzwanzig Jahren, Leonard.«
    »Nun«, sagte Salsbury und faltete die Hände, »es ist wirklich einige Zeit her, daß wir uns das letzte Mal trafen. Dabei haben wir früher soviel Spaß zusammen gehabt.« In Harvard waren sie in der gleichen Studentenverbindung gewesen, und nach der Abschlußprüfung hatten sie sich noch einige Male getroffen. Spaß hatte das nie gemacht. Für Salsbury war Dawson immer der Inbegriff eines Heuchlers und Langweilers gewesen. »Hast du wieder geheiratet?« fragte Dawson. »Nein.« Dawson runzelte die Stirn. »Eine Ehe ist wichtig, wenn man ein geordnetes Leben führen will. Sie gibt dem Mann Stabilität.«
    »Da hast du recht«, sagte Salsbury, obwohl er ganz anderer Meinung war. »Ich kann nicht sagen, daß ich das Alleinsein nach der Scheidung genossen habe.« Schon immer hatte er sich unwohl gefühlt in Dawsons Gegenwart. Das Wiedersehen nach fünfundzwanzig Jahren war keine Ausnahme. Sie waren sehr verschiedene Menschen, auch äußerlich. Dawson war 1,85 Meter, breitschultrig, mit schmalen Hüften, eine athletische Erscheinung. Salsbury maß 1,75 Meter. Hängende Schultern, zwanzig Pfund Übergewicht. Dawson hatte buschiges, graues Haar und schwarze Augen. Seine Haut war gebräunt, sein Blick lebendig, die Frauen sahen ihm nach. Keine Frau blickte auf, wenn Salsbury kam. Er hatte einen kränklich-bleichen Teint und Geheimratsecken. Die kurzsichtigen braunen Augen waren hinter dicken Brillengläsern verborgen. Beide Männer waren 54. Dawson hatte die Jahre besser überstanden. Er hat einen bessere Start gehabt, dachte Salsbury. Er hat mit mehr Geld angefangen. Er sah gut aus. Er hatte die Privilegien, die man braucht. Dawson strahlte Autorität aus, Salsbury Dienstfertigkeit. Im Laboratorium hätte sich Salsbury sicher gefühlt. Heimspiel. Aber sie waren nicht im Laboratorium. Sie waren in Dawsons Büro. Salsbury fühlte sich fehl am Platz. Minderwertig. »Wie geht's deiner Frau?« Ein breites Lächeln erschien auf Dawsons Gesicht. »Prächtig, Ogden. Wirklich prächtig. Ich habe in meinem Leben ein paar tausend gute Entscheidungen getroffen, aber diese Frau zu heiraten, das war wohl die wichtigste.« Seine Stimme wurde tief und melodiös wie die eines Schauspielers. »Sie ist eine gottesfürchtige Frau, Ogden. Eine gute Frau. Eine Frau, die in die Kirche geht, wie es sich gehört.« Immer noch ein Heuchler, dachte Salsbury. Vielleicht half ihm Dawsons Eitelkeit, seinen Plan zu verwirklichen. Sie sahen sich an. Keinem der beiden fiel noch ein Gemeinplatz ein. »Setz dich«, sagte Dawson. Er nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und deutete auf einen der Besuchersessel. Die große, leereEichenplatte zwischen ihnen betonte Dawsons Überlegenheit. Salsbury hielt seinen Aktenkoffer auf den Knien. Er wirkte wie ein Schoßhündchen, das beim ersten Zungenschnalzen aufspringen und seinem Herrn die Schuhe ablecken wird. Um seine Nervosität zu verbergen, hatte er die Hände über dem Aktenkoffer gefaltet. »Dieser Brief...« Dawson hatte den Brief auf den Schreibtisch gelegt. Salsbury kannte den Inhalt, er hatte den Brief selber geschrieben.
    Lieber Leonard, Nachdem wir von der Uni abgegangen sind, hast Du mehr Geld gemacht als ich. Aber ich habe meine Zeit nicht vergeudet. Nach Jahrzehnten von Experimenten habe ich ein Verfahren entwickelt, das von umwälzender Bedeutung ist. Mit diesem Verfahren kann man innerhalb eines einzigen Jahres mehr Geld machen, als Du in all den Jahren zusammengebracht hast. Ich meine das ganz ernst. Ich würde Dich gern treffen. Du wirst es nicht bereuen, daß Du mir Gelegenheit zu einer Rücksprache mit Dir gewährt hast. Sorge bitte dafür, daß Deine Sekretärin mich unter dem Namen »Robert Stanley< in Deinem Terminkalender einträgt. Es ist wichtig, daß mein richtiger Name nirgendwo erscheint. Wie Du aus dem Briefkopf ersiehst, arbeite ich in einem biochemischen Forschungslaboratorium der Creative Development Associates, einer Tochtergesellschaft von Futurex International. Da Du weißt, mit welcher Art von Forschungsvorhaben sich die Creative Development Associates befaßt, wirst Du auch verstehen, daß mein Name aus der Sache herausbleiben muß. Mit freundlichen Grüßen Ogden Salsbury.
    Er war zuversichtlich gewesen, daß Dawson ihm bald antworten würde, und
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