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In der Kälte der Nacht

In der Kälte der Nacht

Titel: In der Kälte der Nacht
Autoren: Dean R. Koontz
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als Rossner einen Kompaß aus der Tasche zog. Er prüfte die Himmelsrichtung im Licht der Taschenlampe, dann steckte er den Kompaß wieder fort. Der Marsch begann. Rossner ging voran, Holbrook folgte ihm. Holbrook war geschickt und leise in seinen Bewegungen, was ungewöhnlich war für einen Mann seiner Körpergröße. Es ging bergan. Das Terrain wurde so schwierig, daß sie innerhalb einer halben Stunde zweimal eine kurze Rast einlegen mußten. Um 3 Uhr 40 kam das Big-Union-Sägewerk in Sicht. In einer Entfernung von dreihundert Schritten zur Rechten war ein Komplex von zweiund dreistöckigen schindelgedeckten Häusern zu erkennen. In allen Fenstern war Licht, es gab außerdem starke Bogenlampen, die den eingefriedeten Lagerplatz des Sägewerkes mit ihrem geisterhaften blau-weißen Schein übergossen. Aus dem Hauptgebäude drang das Kreischen und Dröhnen der automatischen Sägen. Das Poltern der Stämme und Bretter war zu hören und das Krachen der Werkstücke, die vom Förderband in große Metallbehälter gespuckt wurden. Rossner und Holbrook umrundeten das Sägewerk in vorsichtigem Abstand. Es war vier Uhr geworden, als sie den höchsten Punkt des Bergrückens erreichten. Es war nicht schwer, den künstlichen See auszumachen. In der Oberfläche spiegelte sich das Licht des Mondes, ein Teil des Gewässers war von einem zweiten Bergrücken verdeckt. Die Form des Sees war oval, die größte Länge betrug 300 Meter, die größte Breite 200 Meter. Gespeist wurde der See von einer Quelle, die am nördlichen Ende entsprang. Das Big-Union-Sägewerk verwendete das Wasser zur Lagerung von Stämmen, zugleich diente der See der Trinkwasserversorgung von Black River, einer Ortschaft, die fünf Kilometer entfernt in der Talsenke lag. Sie pirschten sich an dem mannshohen Maschendrahtzaun entlang, bis sie an den Haupteingang gelangten. Die Umzäunung war angelegt worden, um das Wild vom Gelände des Sägewerks fernzuhalten. Das Tor war nicht verschlossen. Sie schlüpften durch den Eingang. Im Schatten des Bergrückens watete Rossner in den See. Schon nach drei Metern ging ihm das Wasser bis zu den Aufschlägen der hüfthohen Stiefel. Die Uferböschung fiel steil ab, der See war in der Mitte achtzehn Meter tief. Rossner löste den Verschluß des Schlauchs und drückte auf einen Knopf an der Wandung des Tanks. Ein Zischen war zu hören, als die chemische Substanz aus dem metallenen Stutzen strömte. Die Substanz war geruch- und geschmacklos. Rossner hielt den Stutzen unter Wasser und bewegte ihn, soweit es ging, hin und her, um die ausströmende Substanz zu verteilen. Es dauerte zwanzig Minuten, dann war der Tank leer. Rossner steckte den Schlauch am Tank fest. Er sah auf und erkannte Holbrook, der am gegenüberliegenden Ende des Sees aus dem Wasser watete. Sie trafen sich am Tor. »Okay?« fragte Rossner. »Okay.« Es war 5 Uhr 10, als sie den Wagen erreichten. Sie holten Schaufeln heraus, die beim Werkzeug lagen, und gruben zwei Löcher in den Waldboden. Sie verscharrten die leeren Tanks, die Gummistiefel, die Halfter und die beiden Waffen. Holbrook fuhr. Zwei Stunden lang ging es über Feldwege. Sie überquerten den St. John auf einer Holzbrücke. Auf der anderen Seite begann ein mit Splitt bestreuter Weg. Um halb neun rollte der Wagen auf einer asphaltierten Straße dahin. Rossner hatte das Steuer übernommen. Sie sprachen nicht miteinander. Mittags um halb eins ließ sich Holbrook vor dem >Starlite Motel< absetzen, wo er ein Zimmer reserviert hatte. Er knallte die Wagentür zu, ohne sich zu verabschieden. Er ließ sich am Empfang seinen Schlüssel geben, ging auf sein Zimmer und verriegelte die Tür. Er nahm neben dem Telefon Platz und wartete. Rossner hatte an der Sunoco-Station aufgetankt. Er bog auf die Schnellstraße 95 ein, passierte Waterville und Augusta, dann bog er Richtung Portland ab. An einer Raststätte machte er halt, er parkte den Wagen in der Nähe der Telefonzellen. Die Nachmittagssonne spiegelte sich in den Scheiben des Restaurants. Von den Kühlerhauben der geparkten Autos stieg flimmernde Luft in den Himmel. Rossner warf einen Blick auf die Uhr. Es war 3 Uhr 35. Er blieb im Wagen sitzen und lehnte sich zurück. Er schloß die Augen. In Abständen von fünf Minuten sah er aufs Zifferblatt. Als die Uhr 3 Uhr 55 zeigte, verließ er den Wagen und ging zur letzten Telefonzelle in der Reihe. Um vier Uhr begann das Telefon zu läuten. Er nahm ab. »Rossner.« Die Stimme am anderen Ende war kalt und hart. »Ich
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