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In der Gewalt des Jadedrachen

In der Gewalt des Jadedrachen

Titel: In der Gewalt des Jadedrachen
Autoren: Lena Morell
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sah, wie er wieder auf den Wagen zulief, die Fahrertür aufriss und einen bewusstlosen Mann herausziehen wollte. Er klemmte fest.
    Sie fühlte, wie sich auch der letzte Rest sexueller Erregung in ihr auflöste. Sekunden davor hatte sie noch explodieren wollen wie dieser Wagen, aber nun krallte sie nicht aus Leidenschaft, sondern aus ängstlicher Spannung die Finger in die weiche Decke. Sie konnte sich die blutrünstigsten Filme mit ruhiger Gleichmut ansehen, aber das, was sich hier abspielte – oder vor einigen Stunden abgespielt hatte – war echt. Gleich konnte das verdammte Auto in die Luft fliegen, und dieser Verrückte hielt sich mit einem Mann auf, der vermutlich schon längst tot war. Sie hätte ihm am liebsten zugerufen, sich endlich in Sicherheit zu bringen, aber da war schon ein Polizist da und half ihm, den Verletzten zu bergen.
    Ein weiterer Tumult. Kleine Explosionen. Splitter wirbelten durch die Luft. Sie stöhnte verhalten auf, als der Polizist zu Boden sank. Großaufnahme. Seine rechte Schulter war blutüberströmt.
    Aufschreie im Video. Der dunkelhaarige Mann duckte sich, als würde auf ihn geschossen werden. Die Wagentür verformte sich. Einschläge. Sein dunkelgrauer Anzug war schwarz angesengt, aber er schaffte es, den Fahrer aus der Gefahrenzone zu schleppen. Und dann waren noch weitere Polizisten da. Sie kümmerten sich um den angeschossenen Kollegen. Das Dach des Wagens wurde aufgerissen, als wäre eine Rakete darauf abgefeuert worden. Und dann stand plötzlich das ganze Gefährt in Flammen.
    Hier brach das Videoband ab.
    Lana setzte sich auf, konnte keinen Blick vom Bildschirm lassen, auf dem jetzt wieder das ausdruckslose Gesicht des Sprechers erschien. Was war mit den Leuten? Mit dem Verrückten, der noch den verletzten Fahrer aus dem Wagen gezerrt hatte, obwohl er genau gewusst haben musste, dass er sich damit in Lebensgefahr brachte? Man hatte ihn auf dem Band nicht mehr gesehen. War er verletzt? Tot?
    Die ruhige Stimme des Sprechers fuhr fort: „Wie sich herausstellte, wurde bei dem Anschlag niemand getötet, auch wenn zwei der Verwundeten in Lebensgefahr schweben. Angeblich befand sich einer der Kronzeugen, der im morgigen Prozess gegen führende Mitglieder des Syndikats aussagen sollte, im Wagen. Mark Forrester, der Leiter der Einsatzabteilung, wurde ebenso wie mehrere seiner Leute verletzt, befindet sich jedoch, wie wir erfahren haben, auf dem Weg der Besserung.“
    Charles, der mit dem Rücken an der Couch und dem Kopf zwischen ihren offenen Schenkeln gelehnt hatte, drehte sich zu ihr um. Er verzog spöttisch den Mund.
    Sie wandte nur mit Mühe den Blick vom Fernsehschirm ab. Der Nachrichtensprecher war bereits zur nächsten Meldung übergegangen und berichtete von einer Unwetterkatastrophe in Südindien. Sie sah ihren Liebhaber fragend an.
    Seine Finger strichen spielerisch über die Innenseite ihres Schenkels. „Da wird jemand ziemlich sauer sein, nachdem er sich so viel Mühe gegeben hat, den Kerl endlich zu erwischen.“
    „Was meinst du? Wen wollten sie erwischen?“ Sie hatte einige Mal tief durchgeatmet, um wieder normal zu klingen und sich nicht ihr tiefes Unbehagen anmerken zu lassen.
    Der Zusammenhang, in dem dieser Anschlag stattgefunden hatte, machte ihr Angst. Der Sprecher hatte einen Zeugen gegen das Syndikat genannt, der sich im Wagen befunden haben sollte. Dieses Syndikat hatte in den letzten Monaten Schlagzeilen gemacht. Zuerst war es nur gelegentlich in den Medien aufgetaucht, aber seit einiger Zeit war es fast täglich präsent. Kein noch so kleines oder großes Verbrechen, in das es nicht verwickelt war. Sie hatte diese Berichte aber nicht sonderlich interessiert verfolgt. Als Lehrerin an einer Schule, die weit von der Ostküste und ihrem Tagesgeschehen entfernt war, beschäftigte sie sich ausschließlich mit Schülern und den kleinen Alltäglichkeiten einer Schulstadt. Zumindest in den letzten beiden Jahren. Sie wäre auch jetzt dort, hätte Charles sie nicht so sehr gedrängt, ihn in New York zu besuchen, wo er einen kleinen Antiquitätenhandel betrieb.
    Sie hatte Charles Pratt vor einigen Monaten in Philadelphia kennengelernt, als er einen Händler aufsuchte. Er hatte sie in einer kleinen Bar getroffen und sich sofort für sie interessiert. Hatte sich um sie bemüht, war ihr sogar nach Hause nachgereist. Und nach drei Wochen, in denen er seinen Aufenthalt immer wieder verlängert hatte, hatte sie nachgegeben. Seitdem hatten sie ein Verhältnis. Manchmal
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