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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition)
Autoren: Erwin Rosen
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dieses Militärbillett. Herr von Rader behauptete, er sei eine kleine Fliege, und das Militärbillett sei der Faden, mit dem man ihn an den Beinchen festgebunden habe.
    Als wir in Marseille ankamen und aus dem Zug stiegen, sahen wir, wie unser fürsorglicher Kondukteur die Bahnhofshalle entlangsauste und mit herumfuchtelnden Armen einem Sergeanten an der Perronsperre Semaphorensignale machte.
    »Ich Hab' sie, da sind sie!« sollte das vermutlich heißen.
    Dieser Kondukteur war ein Steuerzahler und ein Patriot und sorgte dafür, daß Frankreich auch behielt, was Frankreichs war.
    Der Sergeant, hinter dem noch ein Korporal auftauchte, nahm uns liebevoll in Empfang. Der Korporal führte uns durch die Stadt, der Herr Sergeant aber schlenderte in gehöriger Entfernung auf dem Trottoir voraus – er wollte zweifellos den Anschein vermeiden, als ob er zu uns gehöre. Man konnte ihm das nicht übelnehmen, denn wir sahen nicht hübsch aus, und die Nachtfahrt hatte uns sicherlich nicht verschönert.
    Den langen Hafen entlang marschierten wir, durch eine wimmelnde Menschenmasse, durch ein kosmopolitisches Getriebe, zwischen arabischen Lastträgern, fetten Levantinern und gestikulierenden Südfranzosen. Da lag Schiff an Schiff. Elegante Salondampfer. Eiserne Tramps, denen man die Nöte des Lebens und die zu hohen Kosten des dringend erforderlichen neuen Farbanstrichs ansah; levantinische Barken mit komischen Rundsegeln und einer Besatzung, die für ihre Hemden nur die Wahl zwischen zwei Farben zu haben schien, zwischen schreiendem Rot und gellendem Blau; Segelschiffe in etlichen hundert verschiedenen Konstruktionen, Riesenkräne, eine kolossale Drehbrücke, die von ihrem einzigen Pfeiler aus hoch droben in der Luft herumbaumelte und sämtlichen Gesetzen der Schwerkraft Hohn zu sprechen schien. Fässer, Kisten und Säcke flogen uns an der Nase vorbei, von wuchtigen Fäusten gestoßen, geschoben, geschleudert. Ueber allem Schreien, Gellen und Lärmen.
    Wir gelangten an das kleine, uralte Hafenfort, das die Durchgangspforte für alle Kolonialtruppen Frankreichs bildet. Das Fort St. Jean. Ueber eine mittelalterliche Fallbrücke schritten wir. In dem riesigen Eichentor tat sich ein kleines Pförtchen auf. Pfeifen und Johlen schallte uns von innen entgegen. Der Salut für die neuen Legionäre! Auf dem Hofe drängten sich, stoßend und gestikulierend Spahis und Tirailleurs, die hier auf das nächste Truppenschiff warteten. Das Herumstehen mochte ihnen langweilig genug geworden sein. Neugierig umringten sie uns.
    » Oh la, la, les bleus pour la légion! « Die Blauen für die Legion. ...
    Ein Korporal der Spahis erklärte mir die sonderbare Bezeichnung.
    »Was heißt das eigentlich, die Blauen?« fragte ich ihn.
    »Blau?« sagte er. »Oh, das sind Rekruten. Offiziell nennt man Rekruten: die jungen Soldaten ( les jeunes soldats ). Im Armeejargon sagt man aber: »die Blauen«.«
    »Komischer Ausdruck!« meinte ich.
    Der Spahikorporal zündete sich eine neue Zigarette an und nickte nachdenklich. »Man weiß auch nicht recht, woher der Name kommt. Mein Kapitän erklärte mir einmal, die Bezeichnung stamme noch aus napoleonischen Zeiten. Damals trugen die französischen Soldaten steife Halsbinden, um den hohen Kragen der Uniform gerade zu halten. Diese Halsbinden sollen etwas Fürchterliches gewesen sein, eine Marter. Sie hielten den Kopf wie in einem Schraubstock, und man brauchte lange Zeit, sich an sie zu gewöhnen. Die Rekruten wurden von dieser famosen Halsbinde während der ersten Zeit ganz blau im Gesicht vor lauter Anstrengung und Gewürgtsein. Und die altgedienten Soldaten riefen ihnen lachend zu: Aha, die Blauen – die Blauen!
    Herr von Rader (er lebt in meiner Erinnerung nur als »Herr von Rader«) – Herr von Rader stieß mich an.
    »Bruderherz, wat machen die Kerle mit die kolossalen Hosen?«
    Die Spahis waren bei der Toilette. Sie zogen ihre Zuavenjäckchen aus und zupften die riesigen roten Pluderhosen zurecht, die in ungeheuren Falten bis zu den Knöcheln herabfielen.
    »Junge, Junge, wat for 'ne Verschwendung,« meinte Herr von Rader. »Aus einer solchen Hose mach' ick Hosen for 'ne janze Famillje, und dann bleibt noch 'n Unterrock for die Jroßmutter übrig.«
    Dann kam das Anlegen der Schärpen. Je zwei Mann halfen sich gegenseitig. Sie hielten ein etwa fünf Meter langes, einen Viertelmeter breites hellblaues Tuch aus seinem dünnen Stoff straff gespannt. Der eine legte es sich an die Hüften und drehte sich
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