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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition)
Autoren: Erwin Rosen
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erst später. Ich antwortete, ich hätte gedient, wie jeder Deutsche.
    Da standen wir auch schon vor dem niedrigen Bureaugebäude. Der Leutnant ging voran, eine steile schmutzige Treppe empor, öffnete die Türe zu dem Bureauzimmer und sagte ein paar Worte zu dem Korporal. Dann nickte er mir zu und ging ins Nebenzimmer.
    »In d' Leschion willscht?« fragte der Korporal, der irgendwo von der elsässischen Grenze her sein mochte. »Du siehscht aber fein aus für an Leschionsrekrute. Votre nom? «
    Ich überlegte blitzschnell. Schließlich gab ich den richtigen Namen. Es war ja wirklich so gleichgültig.
    »S–scho! Venez avec moi zu de' andere. Der médecin major wird glei' komme.« Das Zimmer, in das mich der Korporal hineinschob, strömte einen Menschengeruch aus, vor dem ich geekelt zurückprallte. Von Schweiß und Schmutz und alten Kleidern und ungewaschener Menschlichkeit. Auf langen Bänken an den Wänden des großen Zimmers saßen Männer, die sich für die Fremdenlegion anwerben lassen wollten und auf den Arzt warteten, der sie untersuchen sollte, ob ihr Körper die fünf Centimes Tagessold noch wert sei. Der eine saß nackt da; seine schmutzigen Beine zitterten in der kühlen Oktoberluft. Man brauchte wahrhaftig kein Arzt zu sein, um ihm den Hunger anzusehen. Ein anderer legte mit rührender Sorgfalt seine Hosen zusammen, die so oft geflickt waren, daß sie des Dienstes überdrüssig wurden und endgültig streikten. Sie hatten in einem wichtigen Bestandteil ein unheilbares, riesengroßes Loch. Vielleicht waren diese Hose und dieses Loch der letzte Grund, der ihren Besitzer in die Legion trieb.
    Ein Dritter, ein kräftiger Junge, hatte sich sein Hemd über den Körper gelegt – er schämte sich seiner Männlichkeit. Arme Menschen, denen der nackte Körper etwas Häßliches war, weil sie in ihrem Hungerleben den Begriff der Reinlichkeit verlernt hatten! Jede Bewegung verriet das. Dort in der Ecke schob einer verstohlen seine Stiefel weit unter die Bank, damit man die Löcher nicht sehen sollte, und ein anderer versteckte die schmutzigen Strümpfe unter seinem Kleiderbündel.
    Es waren ein Dutzend Menschen. Knabengesichter darunter, mit dem lichten Bartflaum des Achtzehnjährigen; Jünglinge mit tiefliegenden Hungeraugen und harten Entbehrungslinien um den Mund; Männer mit verfallenen, abgelebten Zügen, deren Falten die alte Historie vom Trinken zum Hören deutlich erzählten. Niemand sprach ein lautes Wort. Nur hie und da ein Flüstern. Der Mann neben mir sah mich an und sagte leise, mit wirklicher Angst in seiner Stimme:
    »Ich hab' Krampfadern. Wenn sie mich nur nehmen. ...«
    Herrgott, diesem Menschen bedeutete die Fremdenlegion eine Hoffnung – die Hoffnung auf regelmäßiges Futter! Die fünf Centimes im Tag mußten ihm erstrebenswert erscheinen!
    Ich ekelte mich vor dem Dunst, ich starrte den Schmutz und das Elend an. Ich kam mir vor wie ein Verbrecher, der auf der Armensünderbank sitzt. Meine Kleider erschienen mir wie ein Hohn. ...
    Die Offiziere kamen. Ein dicker Stabsarzt, den ich in meinem Ekel zu gern gefragt hätte, warum Rekruten der Fremdenlegion vor der Untersuchung nicht Gelegenheit zu einem Bad bekämen. Ein Assistent war bei ihm und der Leutnant von vorhin. Der Stabsarzt deutete auf mich.
    »Ziehen Sie sich aus.«
    Während ich meine Kleider abstreifte, flüsterten die Offiziere miteinander, und ich hörte, so leise es auch gesagt wurde, wie der Leutnant irgend etwas über mich sprach. »Officier allemand.«
    Trotz allem mußte ich lächeln. Man hielt mich für einen ehemaligen deutschen Offizier, für einen Deserteur vielleicht. Es mußte den Herren ja auch schwer genug fallen, eine Erklärung dafür zu finden, daß ein Mensch mit gutsitzenden Kleidern zur Legion kam.
    Der komische Mensch mit den gutsitzenden Kleidern empfand die Neugierde, das offenbare Mitleid als eine ungeheure Beleidigung. Die ganze Prozedur war eine Qual. Die dünne Uhrkette mit dem Goldbehälter, der von der Westentasche losgelöst werden mußte, ehe ich die Weste ausziehen konnte – wie lächerlich war das! Dieses Betrachtetwerden! Die Blicke der Aerzte sagten so deutlich:
    »Wahrhaftig, der Mensch trägt feine Wäsche!«
    Weshalb mußte man mich beäugeln? Hatte ich nicht genau das gleiche Recht wie die anderen armen Teufel, das Recht, auf meine eigene Façon in die Verdammnis zu gehen? Warum mußte man es gerade mir so schwer machen? Und dann fühlte ich, wie selbstverständlich diese Neugierde war, und wie
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