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In den Trümmern des Himmelsystems

In den Trümmern des Himmelsystems

Titel: In den Trümmern des Himmelsystems
Autoren: Joan D. Vinge
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Zeit war. Er ging weiter dem Zentrum entgegen, wobei er sich die Aufschläge seiner Manschetten zurechtrückte. Ein anständiges Leben ist die beste Verteidigung, dachte er säuerlich.
    Lije MacWong erwartete ihn bereits im Inneren. Offiziell arbeitete Wadie für die Bürger des Demarchy; tatsächlich arbeitete er für MacWong. MacWong, die Wahl des Volkes: die absolute Demokratie des Demarchy war ein trügerisches Wasser unter dem zerbrechlichen Regierungsschiff, das bereits zahllose unglückliche Repräsentanten ertränkt hatte. Aber MacWong paßte sich instinktiv dem Strom der öffentlichen Meinung an, riskierte manchmal sogar eine Umlenkung dieses Stromes, um seine eigenen Vorstellungen von den Notwendigkeiten durchsetzen zu können. Er tat die Geschäfte der Leute und brachte sie dazu, daß ihnen das gefiel. Von Zeit zu Zeit fragte Wadie sich, was das Geheimnis MacWongs war; er fragte sich dann allerdings immer auch, ob er es wirklich wissen wollte. „Friede und Wohlstand, Lije.“
    Als Wadie das Büro betrat, sah MacWong auf, eisblaue Augen schimmerten in seinem dunklen Gesicht. „Friede und Wohlstand, Wadie.“ Er erhob sich, erwiderte eine formelle Verbeugung und bewegte sich widerwillig von seinem Aquarium weg.
    Wadie starrte an ihm vorbei, um einen Blick auf die Fische zu erhaschen – drei glitzernde, goldene Dinger, nicht größer als ein Finger, mit Flossen, die hauchzarten, schimmernden Geweben glichen, bewegten sich schlängelnd durch die Wasserpflanzen. Die Goldfische waren die einzigen nichtmenschlichen Geschöpfe, die er je gesehen hatte, und nach allem, was er wußte, bezahlte MacWong immer noch für sie. Er zog seinen Hut ab und beobachtete, wie er langsam seine Form verlor und neben dem MacWongs auf der Schreibtischplatte in sich zusammensank. „Mit allem gebührenden Respekt – ich vertraue darauf, daß diese mysteriöse Nachricht aus dem All echt ist und ich nicht nur hier bin, weil Sie mich gerne leiden sehen.“ Er sank langsam in einen von MacWongs neokolonialistischen Stühlen, wobei er die Falten seines Anzugs glättete.
    „Setzen Sie sich.“ MacWong lächelte tolerant. „Die Botschaft ist echt. Das sind durchaus keine selbstgemachten Trickfilme, die ich Ihnen gleich zeigen werde.“ Vorsichtig lehnte er sich an eine Kante seines Schreibtischs, wobei er die Fresken der silbernen Tierköpfe sorgfältig mied, dann drehte er einen Regler des Kommunikationssets. Nichts geschah. „Verflucht!“ Er hob einen aus Platin geformten Briefbeschwerer, der wie eine springende Katze geformt war, auf und schlug damit auf das Pult. Der Schlag war nicht sehr heftig, doch die Kleinfelter-Wandprojektion verschwand und wurde ersetzt durch das Bild eines weiblichen Gesichts. „Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn dieser Schreibtisch den Geist aufgibt. Die werden auch nicht mehr so hergestellt wie früher.“ Er stellte den Briefbeschwerer sachte an seinen ursprünglichen Platz zurück.
    „Sie stellen sie überhaupt nicht mehr her, Lije.“ Wadie strich mit den Fingern über die Stickerei auf seinem Jackett; seine Finger erstarrten, als er auf den Schirm blickte. „Ein Hologramm? Woher haben Sie das, MacWong?“
    „Wir haben es aus der Atmosphäre aufgeschnappt oder aus dem All, wie auch immer, vor etwa dreißig Kiloseks. Es ist tatsächlich eine Hologrammtransmission; wir benötigten zehn Kiloseks, um das herauszufinden. Und sie wurde nicht abgestrahlt. Stellen Sie sich die Energie und die Bandbreite vor, die so etwas erfordert. Zur Hölle, ich kenne niemanden mehr, der dazu in der Lage wäre.“
    „Das wird auch keiner mehr können …“ Als die Stimme der Frau lauter wurde, verstummte er, starrte und lauschte. Ihre Haut war bleich, fast farblos, was auch auf ihr buschiges Haar zutraf. Ihr Gesicht war lang und eckig. Sie trug ein abgetragenes Hemd, das im Nacken offen war, und keinerlei Schmuck. In den Dreißigern, urteilte er, und sie machte keinen Versuch, ihr Alter zu verbergen; ihr unansehnliches Äußeres war fast schmerzend. Er verdrängte es aus seinen Gedanken und konzentrierte sich auf ihre Stimme. Sie sprach Anglo, doch mit einem fremdartigen Akzent; die gebräuchlichsten Worte schienen in ihrem Mund eine besondere Bedeutung zu gewinnen.
    „… bitte identifizieren Sie sich weitergehend. Wir wollten Ihr Hoheitsgebiet nicht verletzen. Wir sind nicht, ich wiederhole, nicht aus Ihrem System, und wir …“ Sie wurde von einem Geräusch unterbrochen, das ihre Worte auslöschte. Wadie
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