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In deinen Armen

In deinen Armen

Titel: In deinen Armen
Autoren: Christina Dodd
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Geheiß den Gutteil der Fahrt geschlossen blieben. Erst jetzt, während sie auf den Pförtner warteten, gestattete Mr. Kinman Enid einen Blick nach draußen.
    Die Hölle erinnerte an Suffolk. Sommerblumen leuchteten auf wogenden Hügeln, und der Straße vor ihnen haftete eine Aura ländlicher Abgeschiedenheit an. Suffolk – wie auch die Hölle – stand in dem Ruf, abgelegen zu sein, da das Sumpfland im Norden und Epping Forest im Süden den Eisenbahnbau erschwerten und es nur wenige Straßen gab. Hätte Enid einen Sinn für Überraschungen gehabt – aber zum jetzigen Zeitpunkt hielt sie sich keiner dezidierten Gefühlsregung für fähig –, dann hätte es sie erstaunt, dass die Hölle so unzugänglich war. Schließlich hatte man ihr immer erzählt, viele Wege führten dorthin.
    Als der Pförtner sich der Kutsche näherte, schob Mr. Kinman das Fenster hinunter. »Tag, Harry.« In seinem Tonfall deutete sich schwach ein Akzent aus dem Londoner Osten an. »Ich habe die Frau.«
    Das hört sich rätselhaft an, dachte Enid, fast als sei sie ein Päckchen, das man ordentlich in braunes Papier verpackt und mit Schnur umwickelt hatte.
    Harry sprang auf die Trittleiste und schaute in die Kutsche. Er war ein gut aussehender junger Mann mit hartem Gesicht. Er spähte in die Ecken und auf den Boden der Karosse, entdeckte aber nur vier Füße und Enids Buch, also nickte er und sagte mit gebildetem Duktus: »Nun, gut. Begeben Sie sich direkt in den Garten.« Sein Blick verweilte auf Enid, dem hübschen braunen Reisekostüm, dem Strohhut, den gelbbraunen Glacéhandschuhen aus Leder.
    Auch Mr. Kinman starrte Enid an.
    Diese Mixtur aus Behutsamkeit und Hoffnung verursachte ihr ein flaues Gefühl – nicht dass ihr nicht ohnehin schon flau gewesen wäre bei der Vorstellung, Stephen wieder zu sehen.
    Harry sprang ab. »Fahren Sie.«
    »Ein ziemlich seltsamer Pförtner«, machte Enid Konversation, während sie durch einen kleinen Pinienhain über einen Hügel rumpelten.
    »Harry ist ein guter Mann. Sie können ihm vertrauen.« Mr. Kinmans fleischiges Gesicht war schwer vor Aufrichtigkeit. »Jeder, dem Sie vorgestellt werden, ist von aufrechtem Charakter, aber, bitte, Mrs. MacLean, schenken Sie keinem Fremden Ihr Vertrauen.«
    »Auf wie viele Fremde werde ich denn treffen?«, fragte Enid.
    Mr. Kinmans gestärkter weißer Kragen würgte ihn augenscheinlich, denn er fuhr mit dem Finger im Halbkreis darunter entlang. »Keine, Madam. Sie sollten auf niemand Fremden treffen.«
    Mit Ausnahme von MacLean, der von allen der fremdartigste war. Sie fürchtete, dass er sie einmal mehr wie ein Zug überrollen und zerschmettern würde, um sie in den Trümmern ihres Lebens zurückzulassen, bevor er zu neuen Abenteuern, neuen Eroberungen aufbrach.
    Die Vorstellung, Stephen wieder zu sehen, bereitete ihr Magenschmerzen, genau wie die schlingernde Fahrt der Kutsche, was sie hoffen ließ, dass die Reise sich ihrem Ende näherte – und zwar bald.
    Als sie einen Hügel mit einer von Efeu und Geißblatt überwucherten Burgruine passierten, sagte Mr. Kinman allen Ernstes: »Blythe Hall ist ganz bezaubernd, nah an der Küste gelegen und am Ufer der Blythe.«
    »Ich hätte schwören können, es sei der Styx«, sagte Enid.
    Mr. Kinmans breite Stirn legte sich in Falten, während er sich bemühte, die rätselhafte Anspielung auf den Fluss, der in die Unterwelt führte, zu entschlüsseln. »Nein, Madam. Ich wüsste nicht, wie man darauf kommen könnte. Es ist die Blythe. Der Landsitz nennt sich Blythe Hall, und Ihr Gastgeber ist Mr. Throckmorton, ein Gentleman von Format und einer Ihrer Majestät loyalsten Untertanen.«
    »Wird er mir die Einzelheiten der Verletzungen auseinander setzen?«
    »Ja, Madam.«
    Enids Fragen und Kommentare waren Mr. Kinman offenkundig unangenehm, und zu einem anderen Zeitpunkt, unter anderen Umständen hätte Enid Nachsicht walten lassen. Doch nicht hier und jetzt. Sie hatte eine im Sterben liegende Frau zurückgelassen, um herzukommen und nach Stephen MacLean zu sehen. Das hier war besser keiner von MacLeans Tricks, sonst würde sie persönlich dafür sorgen, dass er doch noch eine Verwundung erlitt.
    »Mr. Throckmorton hat angeordnet, Ihnen alles, aber auch wirklich alles, was Sie wünschen, zukommen zu lassen«, fuhr Mr. Kinman fort. »Wir alle, die wir für Mr. Throckmorton arbeiten, werden unser Bestes tun, Ihren Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Wir werden dafür sorgen, dass Ihnen Ihr Aufenthalt hier zumindest erträglich
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