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Immer wenn er mich berührte

Immer wenn er mich berührte

Titel: Immer wenn er mich berührte
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nichts. Das hat nichts mit Liebe zu tun.«
    »Doch«, antwortete sie, »mit unserer Liebe hat das schon etwas zu tun.«
    Der Lift hielt, die Tür öffnete sich. Er wollte mit ihr einsteigen. Aber sie stieß ihn zurück. Nur durch die Glasscheibe sah er noch ihr Gesicht, die Tränen, die ihr in den Augen standen.
    Als er in das Appartement zurückkehrte, stand Evi am Fenster und zog nervös an einer Zigarette.
    »Wie ist sie denn hereingekommen?« fragte sie.
    Er sah sie nicht an. »Bitte, laß mich allein«, sagte er.
    Gleich darauf fiel die Tür ins Schloß. Jürgen starrte auf die Straße hinunter. Ein kleines Abenteuer, wie es jeder Mann einmal hat – das hatte er gewollt. Nun begriff er, was er angerichtet hatte.
    Mein Gott, wie sollte er das seiner Frau erklären? Seine Besuche hier, Sex zwischen den Büromöbeln am Dienstag und Donnerstag … Wie sollte er ihr das erklären? Würde sie ihm das je verzeihen?
    Als er das Appartement verließ, sah er Janines Augen, die fremden Augen, die ihn angesehen hatten, so merkwürdig, als sei alles aus …
    Von einer Kneipe aus rief er seine Sekretärin an, sagte alle Termine für den Nachmittag ab. Er ließ sich ein paar Schnäpse an den Tisch bringen und geriet in eine immer verzweifeltere Stimmung. Er wußte, daß er sofort nach Hause mußte, zu Janine. Aber er hatte Angst davor …
    Als er schließlich ins Auto stieg, wurde der frühe Nachmittag schon dämmrig. Langsam fuhr er heim. Und ahnte nicht, daß er zu spät kam, viel zu spät. In der Zeit zwischen den paar Kognaks hatte sich sein Schicksal entschieden, in diesen verpaßten Minuten begann sein Weg in die Hölle …

II
    Janine ließ sich von einem Taxi nach Hause fahren.
    Verzweifelt – nein, das war nicht der richtige Ausdruck für ihren Zustand. Sie konnte nicht weinen, nicht denken, nicht mal hassen.
    Es war viel schlimmer. In ihr war ganz einfach ein Stück zerbrochen. Ein Stück Leben. Ein Stück Herz. Leere war dafür zurückgeblieben. Und Scham. Sie schämte sich, daß sie diesen Mann geliebt hatte, sie schämte sich ihrer Zärtlichkeiten, ihrer Hingabe, ihrer Leidenschaft.
    Als Janine die Haustür aufschloß, durch die Küche ging, durch das Wohnzimmer, an hundert Kleinigkeiten vorbei, die sie alle an ihren Mann erinnerten, da wußte sie nur eines sicher: sie wollte Jürgen nie mehr wiedersehen.
    Sie konnte die Luft dieses Hauses nicht mehr atmen. Hier hatte er all seine falschen Worte gesprochen. Gestern noch. Jedes Jahr eine Rose mehr … Ich bin verrückt nach dir … Komm, tanzen wir … Du siehst wie siebzehn aus …
    Nur so schnell wie möglich raus. Fort. Irgendwohin. Vergessen. Fünf Jahre vergessen. So tun, als seien sie nie gewesen.
    Wie eine Gehetzte packte sie schnell einen Koffer. Schmuck, Wäsche, ein paar Kleider, ihr Postsparbuch. Geld für die nächsten Tage hatte sie in der Tasche.
    Was ging sie das hübsche Haus in Mariendorf noch an? Sie hatte nichts mehr damit zu tun, sie schenkte es ihm, er konnte die Rothaarige hierher bringen …
    »Guten Tag, Frau Siebert«, sagte jemand, als sie auf der Straße stand.
    Sie gab keine Antwort. Nachbarn interessierten sie nicht mehr.
    Ein paar Straßenecken weiter fand sie ein Taxi. Der Chauffeur verstaute den Koffer im Gepäckraum.
    »Wohin denn?« fragte er.
    »Zum Flughafen Tempelhof.«
    Der Mann warf einen Blick auf seine Uhr. »Sie wollen gewiß die Maschine nach Frankfurt erwischen?«
    »Ja«, antwortete sie.
    »Das schaffen wir noch.«
    Warum nicht Frankfurt, dachte sie. Frankfurt war so gut und so schlecht wie jede andere Stadt. Das Ziel war völlig egal. Sie war jetzt überall allein.
    Was sie brauchte, war Ruhe, Zeit zum Nachdenken, Zeit, um wieder zu sich selbst zu finden. Zeit, um zu überlegen, was sie mit ihrem Leben noch anfangen konnte.
    Siebenundzwanzig Jahre alt war sie jetzt. Und auf dieser Fahrt zum Flughafen wurde ihr klar, daß sie keinen Menschen auf der Welt hatte, der zählte. Ihre Eltern waren tot. Nach Straßburg zu gehen, war sinnlos. Gräber geben keine Antwort mehr, und alte Kindheitserinnerungen machen nur noch verzweifelter.
    Da fiel ihr Claudette ein, Claudette, deren Brief gestern gekommen war mit einer Einladung für Silvester … Mit Claudette hatte sie sich immer wunderbar verstanden. Bei ihr brauchte sie nicht zu lügen, keine Ausflüchte zu erfinden, kein falsches Gesicht aufzusetzen. Zu ihr konnte sie sagen: Du, mir geht es dreckig. Meine Ehe ist erledigt. Ich bin nur mit einem einzigen Koffer
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