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Immer für dich da (German Edition)

Immer für dich da (German Edition)

Titel: Immer für dich da (German Edition)
Autoren: Kristin Hannah
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Aufregung geriet. Beim ersten Klingelton lächelte sie, sagte: »Ach, du meine Güte«, und eilte, so schnell es ihre Hausschuhe zuließen, in den Flur.
    Tully griff nach ihrem Trollpüppchen mit den gelben Haaren. Sie summte ganz leise »Daydream Believer« und ließ es mit einem anderen Püppchen tanzen. Mittendrin hörte sie plötzlich ein Klopfen an der Tür.
    Das war so ungewöhnlich, dass Tully innehielt und aufsah. Sie hatten nie Besuch, außer am Sonntag, wenn Mr und Mrs Beattle sie zur Kirche abholten.
    Grandma schob ihre Stickarbeit in die rosafarbene Plastiktüte neben dem Schaukelstuhl, stand auf und durchquerte langsam den Raum. Dabei schlurfte sie ein wenig, aber das war seit ein paar Jahren normal. Als sie die Tür öffnete, geschah eine ganze Weile lang gar nichts, dann sagte sie: »Ach, du meine Güte.«
    Grandmas Stimme klang komisch. Als Tully sich vorbeugte, um besser sehen zu können, entdeckte sie eine große Frau mit langen, zerzausten Haaren und einem zittrigen Lächeln. Sie war eine der hübschesten Frauen, die Tully je gesehen hatte: milchweiße Haut, eine spitze, scharf geschnittene Nase, hohe Wangenknochen, ein winziges Kinn und glänzende braune Augen, die sich langsam schlossen und wieder öffneten.
    »Begrüßt man so seine lang vermisste Tochter?« Die Frau drängte sich an Grandma vorbei, kam geradewegs auf Tully zu und beugte sich zu ihr. »Ist das meine kleine Tallulah Rose?«
    Tochter? Das hieß doch –
    »Mommy?«, flüsterte sie und fürchtete sich fast vor der Antwort. So lange hatte sie darauf gewartet, davon geträumt, dass ihre Mommy zurückkommen würde.
    »Hast du mich vermisst?«
    »Oh ja!« Tully bemühte sich, nicht zu lachen. Aber sie war so glücklich.
    Grandma schloss die Tür. »Lass uns doch erst mal in der Küche einen Kaffee trinken.«
    »Ich will keinen Kaffee. Ich will meine Tochter.«
    »Du bist pleite«, sagte Grandma müde.
    Ihre Mutter wirkte gereizt. »Und wenn schon.«
    »Tully braucht –«
    »Ich weiß wohl selbst am besten, was meine Tochter braucht.« Ihre Mutter wollte sich aufrichten, doch es gelang ihr nicht recht. Sie schwankte leicht, und ihre Augen sahen auch komisch aus.
    Grandma kam auf sie zu. »Mit einem Kind übernimmt man eine große Verantwortung, Dorothy. Vielleicht könntest du erst mal eine Weile hierherziehen und Tully kennenlernen, damit du …« Sie hielt inne und fügte leise hinzu: »Du bist ja betrunken.«
    Ihre Mutter kicherte und zwinkerte Tully zu.
    Tully zwinkerte zurück. Betrunken sein war nicht so schlimm. Ihr Grandpa hatte oft getrunken, bevor er so krank wurde. Selbst Grandma hatte mal ein Glas Wein getrunken.
    »Ich hab Geburtstag, Mutter, oder hasst du das vergessen?«
    »Geburtstag?« Tully schoss in die Höhe. »Warte mal«, sagte sie und rannte in ihr Zimmer. Ihr Herz klopfte rasend schnell, als sie in ihrer Frisierkommode wühlte, um die Kette aus Nudeln und Perlen zu finden, die sie im Vorjahr in der Sonntagsschule gebastelt hatte. Als Grandma sie gesehen hatte, hatte sie die Stirn gerunzelt und gesagt, sie solle sich nicht allzu große Hoffnungen machen, aber das war unmöglich. Tully hatte sich schon jahrelang Hoffnungen gemacht. Jetzt steckte sie die Kette ein, rannte zurück und kam gerade noch rechtzeitig, um ihre Mutter sagen zu hören: »Ich bin nicht betrunken. Ich sehe mein Kind zum ersten Mal seit drei Jahren. Nichts macht so high wie die Liebe.«
    »Seit sechs Jahren. Als du sie das letzte Mal hier abgeladen hast, war sie vier.«
    »Ist das schon so lange her?«, fragte ihre Mutter.
    »Komm wieder nach Hause, Dorothy. Ich kann dir helfen.«
    »Wie beim letzten Mal? Nein, danke.«
    Beim letzten Mal? War Mommy schon mal zurückgekommen?
    Grandma seufzte. »Wie lange willst du mir das noch vorwerfen?«
    »Für so was gibt’s wohl kaum ein Verfallsdatum, oder? Komm jetzt, Tallulah.« Ihre Mutter schwankte unsicher zur Tür.
    Tully verzog das Gesicht. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Ihre Mommy hatte sie weder umarmt und geküsst noch gefragt, wie es ihr ergangen war. Außerdem wusste doch jeder, dass man erst einen Koffer packen musste, bevor man aufbrach. Sie zeigte zu ihrer Zimmertür. »Meine Sachen –«
    »Diesen ganzen materialistischen Scheiß brauchst du nicht, Tallulah.«
    »Was?«, fragte Tully verständnislos.
    Grandma umarmte sie, und sie roch den herrlich vertrauten Geruch nach Puder und Haarspray. Dies war die einzige Umarmung, die Tully kannte, die einzige Person, die ihr je
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