Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
mehr im Sattel verbringen und dabei ihre Pferde schonen, sodass die Tiere bis zum Abend durchhielten.
    Mein Reittier hieß »Shiro-Uma« - Weißes Pferd -. Es war ein hochgewachsener, feingliedriger Schimmel mit braunen Augen und Hufen, die wie polierte Muscheln glänzten. Sein Zaumzeug war aus feinstem Leder; die silberne Mähne war nach Tungusenart geflochten und mit Amuletten geschmückt. Sein leichter Harnisch aus Kupferplättchen klirrte bei jedem Schritt: Es klang hell und zart wie Glöckchen. Ich trug weite Hosen wie ein Mann, lederne Beinschützer und darüber einen gegürteten Überwurf aus dunkelblauer Baumwolle. Ein breitrandiger Strohhut, der mit einem durchsichtigen Schleier versehen war, schützte mich vor der Sonne. Als Waffe führte ich meinen Bogen mit, der Köcher mit Pfeilen hing über meinem Rücken.
    Hinter mir ritt meine Leibgarde. Sie bestand aus zehn ausgesuchten Männern. Ihr Befehlshaber, Kuchiko, war Leibwächter meiner Mutter gewesen. Er war ein hagerer, schweigsamer Mann, der mir das Waffenhandwerk als Kind beigebracht hatte: Ihm verdankte ich meine Kunstfertigkeit im Bogenschießen. Iri hatte gemeint, er sei zu alt, aber ich bestand darauf, ihn an meiner Seite zu wissen. Obgleich sein Haar jetzt ergraut war und man ihm ansah, dass er ein hartes Leben hinter sich hatte, hielt er sich noch gerade wie ein Speer, und nichts entging seinen wachsamen Augen.
    Ich hatte eine einzige Dienerin bei mir. Sie hieß Maki und war fünfzehn Jahre alt. Sie war die Tochter meiner Amme Miwa. Ich hatte sie ausgewählt, weil sie verschwiegen und anpassungsfähig war und sich nicht vor den Pferden fürchtete. Trotz ihrer Anmut war sie sehr zurückhaltend, und ich sah sie nie nach den Soldaten schielen, was mir manchen Ärger ersparte.
    Für mich war der lange Ritt sehr beschwerlich: Ich fühlte mich wie zerschlagen. Die kurzen Nachtstunden verbrachten wir in den Zelten, die für uns aufgestellt wurden, während die Soldaten um die Feuer lagerten. Trotz meiner Müdigkeit fand ich keinen Schlaf. Manchmal lag ich bis zum Morgengrauen wach und betrachtete durch die Zeltöffnung die Sterne, die langsam am Himmel verblassten. Königin zu sein, dachte ich, was bedeutet das? Für sein Volk da zu sein und für Gerechtigkeit zu sorgen? Oder Krieg zu führen, um das Reich zu vergrößern und seine Macht zu festigen? Es waren quälende Fragen, aber niemand war da, der mir Antwort geben konnte.
    Der Weg nach Takeri führte an der Küste entlang. Es war eine felsige Gegend mit Wäldern, die selten den Blick aufs Meer freigaben. Dann wieder tauchten wir in eine Schlucht und ritten lange Zeit durch ein ausgetrocknetes Flussbett, in dem nur noch ein schmales Rinnsal floss. Die Pferde wurden getränkt und gefüttert, bevor ihnen die Tungusen die Mäuler wieder zubanden und im raschen Trab weiterritten. Wir hofften, Takeri noch vor der Dämmerung zu erreichen. Boten waren mit den nötigen Anordnungen vorausgeschickt worden, damit wir die Schiffe bei unserem Eintreffen seeklar vorfanden.
    Die Sonne sank, als die Vorhut des Heeres östlich von Takeri die Passhöhe erreichte und den Abstieg zur Küste begann. Die Reiter jubelten und schwangen ihre Speere. Sie spornten ihre Pferde mit schrillen Pfiffen an und jagten die erschöpften Tiere den Abhang hinunter. Den Hafen bildete eine halbmondförmige Bucht: Es war ein großer, sicherer Hafen mit einer gepflasterten Uferstraße und steinerner Mole. Die Festung selbst mit ihren steilen Mauern und hohen Zinnen glich einer riesigen Bienenwabe, die am flachen Hang des Berges klebte.
    Trotz der Müdigkeit und meiner Vorahnungen erfüllte mich der Anblick, der sich mir von der Anhöhe aus bot, mit Stolz: Die hundert Kriegsgaleeren lagen ringsum an den Hafenmauern. In der Sonne leuchteten sie golden und die schrägen Schatten zeichneten sich auf dem tiefblauen Wasser ab. Die mächtigen roten Segel blähten sich im Abendwind. Es war ein prächtiges Geschwader, das den Eindruck von Erhabenheit und Unbesiegbarkeit vermittelte.
    Der Pfad führte durch terrassenförmig angelegte Reisfelder und endete in einem großen Steintor mit geschweiftem Strohdach, das den Eingang zum Hafen freigab. Bauern, die auf den Feldern arbeiteten, liefen herbei und warfen sich zu Boden. Sie drückten die Stirn in den Staub und verharrten regungslos, während der König mit seinem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher