Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
lackschwarzes Haar geschlungen. Seine Augen schimmerten dunkel und ließen die hochmütigen Lippen, das harte Kinn vergessen. Er hatte in der vertrauten Sprache mit mir geredet, die wir bevorzugten, wenn wir allein waren.
    Â»Wir haben bereits Stützpunkte auf dem östlichen Archipel errichtet und Festungen entlang der Küste gebaut. Der Fluss Yodo ist breit und gut schiffbar. Wir könnten mit den Schiffen bis nach Shirakata gelangen, dann von dort aus auf dem Landweg zum Berg Ikoma vordringen und die aufständischen Stämme zur Unterwerfung zwingen oder vernichten.«
    Ich verwünschte seinen Ehrgeiz und seine Habgier. Ich sah keinen Sinn darin, dass ein so mächtiges Königreich wie unseres ein ganzes Heer gegen ein Volk ins Feld schickte, das in Hütten wohnte und nur über einfache Waffen verfügte. Gewiss, ein Sinn lag schon darin: Iris Machtanspruch.
    Doch ich wollte mich nicht mit ihm über Vernunft oder Gerechtigkeit auseinandersetzen und so sagte ich nur: »Wir in Yamatai glauben, dass es Unheil bringt, die Ainu zu bekämpfen. Ihre Rache kann sich auf Saat und Ernte auswirken. Sie könnten die Gewässer vergiften und die Tiere im Wald gegen uns aufhetzen.«
    Iris Augen funkelten belustigt. »Und du, wie denkst du darüber?«
    Ich wich der Frage aus. Ȇber die Ainu wird Seltsames berichtet. Es heißt, dass sie wie Eidechsen an senkrechten Mauern hochklettern, wie Fische unter Wasser schwimmen und schneller als Damhirsche laufen. Man sagt auch, dass sie die Sprache der Tiere verstehen.«
    Â»Du vergisst etwas: Sie sind auch Spezialisten im Aufschlitzen von Kehlen und Abtrennen von Köpfen.« Iris Stimme war hart, aber dann lachte er wieder. »Ihr in Yamatai seht die Dinge so, wie ihr sie sehen wollt oder wie ihr glaubt, dass sie sein sollten. Aber das ist kein Grund, um auf ein strategisch und wirtschaftlich bedeutungsvolles Gebiet zu verzichten.«
    Ich sah auf die purpurnen Lichtfäden, die den Himmel färbten. Dann sagte ich: »Wir könnten versuchen, mit den Ainu zu verhandeln.«
    Iri verzog verächtlich den Mund. »Ich verhandle nicht mit einer Horde Wilder!«
    Â»Hör zu«, sagte ich besänftigend, »zur Zeit, als ich noch ein Kind war, beauftragte meine Mutter ihren Vetter Nagasume Tomi mit der Verwaltung der Provinz Kawachi. Er hatte sich selbst dazu vorgeschlagen, denn ein Fieber hatte seine junge Frau dahingerafft, und er hoffte, in der Einsamkeit der unerforschten Grenzgebiete ein neues Lebensziel zu finden. Als Befehlshaber der Provinz kämpfte er gegen die Ainu und errang zahlreiche Siege. Dann geschah es, dass er in einer Schlacht schwer verwundet wurde und von einem ›Ottena‹, einem Stammeshäuptling der Ainu, aufgenommen und gepflegt wurde. Bei den Ainu ist es Brauch, besonders tapfere Krieger, die in ihre Hände fallen, zu umsorgen und sie wie Gäste zu behandeln. Nagasume Tomi lernte ihre Sitten und ihre Verhaltensweisen kennen. Nach seiner Genesung blieb er bei ihnen und unterzog sich einem Ritual, das aus ihm - nach den Gesetzen und dem Glauben der Ainu - einen Stammesangehörigen machte. Wir sahen ihn nie wieder. Später wurde uns bekannt, dass er als Häuptling über zahlreiche ›Kotan‹ - das sind Stammesverbände - herrscht.«
    Â»Abtrünnige scheinen in eurer Familie häufig vorzukommen!«
    Er konnte seine höhnischen Bemerkungen nicht unterlassen. Das Blut schoss mir ins Gesicht, doch ich schwieg. Iri zog einen Fächer aus dem Ärmel und bewegte ihn hin und her, um eine Mücke zu verscheuchen. Ich spürte, dass er nachdachte.
    Â»Ich will mich da nicht einmischen. Ihr in Yamatai tragt den Kopf sehr hoch. Wenn sich dein ehrwürdiger Verwandter auf die Seite der Eingeborenen schlägt, könnte es unangenehm für uns werden. Wenn er jedoch gewillt ist, unsere Herrschaft anzuerkennen, wären wir bereit, ihm vertragliche Garantien zuzusichern und die Verteidigung der Grenzgebiete seinen Schützlingen anzuvertrauen.« Während er sprach, beobachtete er mich aufmerksam. »Du stehst ihm am nächsten. Würdest du die Verhandlungen übernehmen, wenn der Augenblick gekommen ist?«
    Ich erwiderte seinen Blick und dachte: Die Tungusen sind bei all ihrer Vernunft wahrhaftig sehr von sich eingenommen! Wie können sie erwarten, dass ein Mann seinen Eid bricht, nur um sich Vorteile zu sichern? Doch ich behielt diesen Gedanken
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher