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Im Wald der stummen Schreie

Im Wald der stummen Schreie

Titel: Im Wald der stummen Schreie
Autoren: Jean-Christophe Grange
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Cantelau? Was hatte sie damit zu tun?«
    »Sie hatte uns bei ... einem Anfall überrascht.«
    »Wo?«
    »Im Bettelheim-Institut.«
    »Ich habe es überprüft. Joachim wurde dort nie behandelt.«
    Alfonso Palin lächelte und strich sich eine Strähne aus der Stirn.
    Antoine Féraud.
    »Keiner von uns wurde dort behandelt. Aber ich habe dort andere therapiert. Ich habe dort eine Sprechstunde abgehalten. Der Autismus fasziniert mich. Das ist doch verständlich, oder? Andere können von meiner Erfahrung profitieren ...«
    Wie dumm von ihr! Sie hatte sich auf die Liste der Kinder konzentriert, die im Bettelheim-Institut behandelt worden waren. Die Personalliste dagegen hatte sie nie überprüft. Wenn sie dies getan hätte, wäre ihr sofort der Name von Antoine Féraud aufgefallen. Noch eine Lektion.
    »Eines Tages hat mich Marion mitten in einem Anfall überrascht. Da wurde ihr klar, dass ich selbst an Autismus leide ...«
    »Und dass du ein Hochstapler warst. Joachim mochte vielleicht ein gelernter Anwalt und Paläoanthropologe sein, aber Antoine Féraud ist kein Psychiater. Antoine Féraud existiert nicht.«
    »Kennst du den Spruch: Ein Psychiater ist ein Verrückter, der seinen Beruf verfehlt hat? ...«, fragte er lächelnd.
    »Woher kanntest du Nelly Barjac?«
    »Joachim. Ich habe sie bei einem Kolloquium über das Genom der Völker Lateinamerikas kennengelernt. Später hat sie mich angerufen und mir von Manzarenas Blutprobe erzählt. Sie wusste, dass ich aus dem Nordosten Argentiniens stamme. Der Region, aus der der Schädel stammte ...«
    »Francesca Tercia.«
    »Francesca Tercia war eine langjährige Freundin. Ich habe sie an der Universität Buenos Aires kennengelernt, im Studiengang Paläoanthropologie. Mit Jorge de Almeida. Wir gehörten zum selben Jahrgang.«
    Das Tüpfelchen auf dem i. Wenn sie das Foto von der Gruppe auf dem Campus – jenes, auf das de Almeida »TE QUIERO « geschrieben hatte – aufmerksamer betrachtet hätte, hätte sie ... Antoine Féraud wiedererkannt. Mist. Mist. Mist. Praktisch von Anfang an verfügte sie also über den Schlüssel zur Lösung des Falls.
    »Auch sie hat geplaudert. Über den Schädel, die Grabungen de Almeidas. Aber ich wusste nicht, dass sie an einer Skulptur arbeitete ...«
    Jeanne hakte im Geiste jeden Fall, jede Geschichte ab. Die Tatsachen unterschieden sich nicht allzu sehr von dem, was sie sich vorgestellt hatte.
    »François Taine.«
    »Bei ihm ist es sogar noch einfacher. Er hat uns angerufen.«
    »Wen von euch?«
    »Joachim Palin. Er hatte die Organizer von Nelly Barjac und Francesca Tercia abgeglichen. Der Name Joachim stand in beiden. Taine hat mich sonntagmorgens angerufen. Er war in seinem Büro. Wir haben uns im Jardin du Luxembourg verabredet. Er hatte bereits mit Eduardo Manzarena in Managua telefoniert und mit Daniel Taïeb in Tucumán. Ihm war aufgegangen, dass der Schlüssel zur Klärung der Mordfälle ein paläontologischer Fund im Nordosten Argentiniens sein konnte. Ich musste ihm noch am gleichen Abend einen Besuch abstatten ...«
    Jeanne lehnte sich gegen die Wand. Ihr Rücken war trotz der Klimaanlage schweißnass. Sie hatte die Liste der Anrufe, die er mit seinem Handy getätigt hatte, überprüft, aber nicht die Telefonate, die er von seinem Büro aus geführt hatte – noch ein Fehler. Das Weitere bedurfte keines Kommentars. Joachim hatte in Nicaragua die letzten Spuren beseitigt und war dann in ihrer Gesellschaft zu den Ursprüngen zurückgekehrt.
    Ein Detail, ein einziges, passte nicht.
    »Am Montag, dem 9. Juni«, fuhr sie fort, »flog Antoine Féraud über Madrid nach Managua. Am Abend hat mich Joachim in seiner Praxis angegriffen. Ihr seid mehrere, aber auch ihr könnt nicht überall gleichzeitig sein.«
    Der Psychiater lächelte. Mit seinen roten Augen schien er einem Horrorfilm der sechziger Jahre entsprungen zu sein, in dem die Vampire hübsche, blutrünstige Jungs waren.
    »Wir haben den Flug gebucht, doch wir haben ihn nicht angetreten.«
    »Warum?«
    »In Roissy haben wir uns die Nachmittagsausgabe von Le Monde gekauft. Darin wurde Taines Tod erwähnt. In dem Artikel war auch die Rede von einer Richterin, die in den Flammen ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatte. Es gab ein Foto von ihr. Wir haben dich sofort wiedererkannt. Die junge Frau vom Grand Palais. Wir haben dir vor dem Landgericht Nanterre aufgelauert. Wir sind dir bis zur Rue Le Goff gefolgt. Wir hatten uns dir gegenüber für eine sanfte Methode entschieden. Féraud und
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