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Im Wahn - Moody, D: Im Wahn - Hater

Titel: Im Wahn - Moody, D: Im Wahn - Hater
Autoren: David Moody
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schnell zu melden. Das erschwert es dem Anrufer, den Namen zu verstehen.
    »Kann ich bitte Mr Fitzpatrick in der Lohnbuchhaltung sprechen?« Eine Frauenstimme mit ausgeprägtem Akzent. Gott sei Dank – kein nerviger Normalbürger mit einer Beschwerde, nur falsch verbunden. Ich entspanne mich. Wir bekommen öfter Anrufe für die Lohnbuchhaltung. Deren Durchwahlnummern sind ähnlich wie unsere. Man sollte meinen, dass da mal jemand was dagegen unternimmt. Jedenfalls bin ich erleichtert. Ein Problem fünf Minuten vor fünf hätte mir gerade noch gefehlt.
    »Sie sind in der falschen Abteilung gelandet«, erkläre ich ihr. »Sie haben 2300 statt 3200 gewählt. Ich verbinde Sie weiter, wenn ich kann. Wenn die verbindung unterbrochen wird, wählen Sie einfach 1000, damit kommen Sie zur Telefonzentrale …«
    Plötzlich bin ich abgelenkt und verstumme, als die Eingangstür aufgerissen wird. Instinktiv rolle ich mit dem Stuhl zurück und versuche, so viel Distanz wie möglich zwischen mich und den Besucher, der gleich in das Gebäude
stürmen wird, zu bringen. Ich beende das Telefonat und entspanne mich ein wenig, als ich sehe, dass ein Kinderwagen zur Tür hereingeschoben wird. Der Kinderwagen klemmt in der Tür, daher stehe ich auf, um zu helfen. Eine kleine, tropfnasse Frau in einem grün-lila Anorak betritt den Empfang. Neben dem Kind im Wagen (das ein dicker Regenschutz aus Plastik vor Blicken verbirgt) folgen ihr zwei weitere kleine Kinder. Die klägliche Familie steht mitten im Empfangsbereich, Wasser tropft von allen auf den unechten Marmorboden. Die Frau scheint genervt zu sein und ist mit ihren Kindern beschäftigt. Sie fährt das größere Kind an und sagt ihm, dass »Mami ein Problem mit diesem Mann klären muss, dann gehen wir nach Hause und machen dir was zu essen.«
    Sie schüttelt die Kapuze ab, und ich sehe, dass sie Ende dreißig oder Anfang vierzig ist. Sie sieht unscheinbar aus, und ihre große, runde und regennasse Brille beschlägt. Ihr Gesicht ist rot angelaufen, Wasser tropft ihr von der Nasenspitze. Blickkontakt mit mir vermeidet sie. Sie knallt ihre Handtasche auf den Tisch am Empfang und wühlt darin herum. Einen Moment lang hält sie inne, hebt den Regenschutz (der ebenfalls beschlägt) und sieht nach dem Baby, das offenbar schläft. Danach konzentriert sie sich wieder auf den Inhalt ihrer Handtasche, und ich gehe wieder auf die andere Seite des Schreibtischs zurück.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, frage ich vorsichtig, weil ich denke, dass es an der Zeit ist, ihr meine Hilfe anzubieten. Sie sieht mich über ihre Brille hinweg böse an. Mit der Frau ist nicht gut Kirschen essen, das wird mir sofort klar. Sie macht mich nervös. Ich weiß, dass mir eine schwere Prüfung bevorsteht.
    »Warten Sie einen Moment«, fährt sie mich an, als wäre
ich eines ihrer Kinder. Sie holt eine Packung Taschentücher heraus und gibt eines dem Kind an ihrer Seite, das sich die Nase ständig am Ärmel abwischt. »Schnäuzen«, befiehlt sie streng und hält dem Kind das Papiertaschentuch mitten ins Gesicht. Das Kind widerspricht nicht.
    Ich sehe auf die Uhr. Sechzehn Uhr siebenundfünfzig. Sieht nicht so aus, als würde ich den früheren Zug nach Hause bekommen.
    »Ich habe mein Auto fünf Minuten am Leftbank Place geparkt, weil mein ältester Sohn auf die Toilette musste«, beginnt sie. Keine Zeit für Höflichkeiten, sie kommt mit ihrer Beschwerde sofort zur Sache. »In diesen fünf Minuten hab ich eine Reifenklammer ans Auto gekriegt. Ich weiß ja, dass ich dort nicht parken sollte, aber es waren doch nur fünf Minuten, und das auch nur, weil es sich absolut nicht vermeiden ließ. Ich möchte mit jemandem reden, der befugt ist, die Sache aus der Welt zu schaffen, und zwar jetzt gleich. Diese Klammer muss weg von meinem Auto, damit ich mit meinen Kindern nach Hause kann.«
    Ich räuspere mich und setze zu einer Antwort an. Plötzlich ist mein Mund trocken, und meine Zunge fühlt sich doppelt so dick an wie normalerweise. Natürlich musste es Leftbank Place sein, richtig? Das ist ein Stück Brachland rund zehn Minuten von unserem Büro entfernt. Manchmal hat man den Eindruck, dass jedes zweite Auto, das in dieser Stadt eine Reifenklammer verpasst bekommt, sie am Leftbank Place bekommt. Die Streifenpolizisten in der Gegend sind berüchtigt. Jemand hat mir einmal gesagt, dass sie irgendwie nach Leistung bezahlt werden – je mehr Autos sie pro Woche aus dem verkehr ziehen, desto mehr Geld bekommen sie. Ich weiß nicht,
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