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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition)
Autoren: Kate Rhodes
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aufgeschnitten und dann wieder zusammengeflickt.«
    »Wenn du Popmusik hören würdest, würdest du die Leute wahrscheinlich in Stücke hacken, oder?«
    »Wie aufbauend Sie wieder einmal sind, Dr. Quentin.« Er schob seinen Teller fort und sah mich grinsend an. »Du bringst kranke Gehirne in Ordnung, und ich schneide Leute auf. Das ist eben unser Job.«
    »Du wirkst ein bisschen abgelenkt, deshalb habe ich gefragt.«
    Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Das bin ich auch. Ich habe nämlich ein echtes Problem.«
    »Ach ja?«
    »Ich habe nachher noch Dienst. Deshalb bleibt mir nicht viel Zeit, wenn ich noch über dich herfallen will.«
    Ich rollte mit den Augen. »Es braucht niemand über mich herzufallen, aber trotzdem vielen Dank.«
    »Aber das wäre nicht fair, findest du nicht auch? Schließlich habe ich dir Hoffnungen gemacht.«
    Im Handumdrehen war er auf den Füßen, legte seine Hand in meinen Rücken und führte mich ins Schlafzimmer. Ich erwog kurz, nein zu sagen, und inzwischen weiß ich, dass ich das auch hätte machen sollen.
    »Ich werde höchstens drei Sekunden brauchen, um dich auszuziehen«, raunte er mir zu.
    »Das wirst du nicht.« Ich zog meinen Pullover wieder über meinen Kopf. »Denn ich ziehe mich immer selber aus.«
    Das erste Mal war eindeutig zu schnell, beim zweiten Mal jedoch ging Sean erheblich rücksichtsvoller mit mir um. Er war von Natur aus furchtbar von sich eingenommen, hatte aber wirklich alle narrensicheren Tricks gelernt, mit denen sich eine Frau beglücken ließ.
    Anschließend brannten meine Lippen, was wahrscheinlich außer an den Chilis auch an seinen Bartstoppeln lag.
    »Wie lange kennen wir uns jetzt?« Sean lag auf der Seite und starrte mich an.
    »Ein paar Wochen.«
    »Länger, Alice. Mindestens ein Vierteljahr.«
    Sofort stieg nackte Panik in mir auf. Nicht mehr lange, und er würde Urlaub mit mir machen wollen oder verabredete eine Essenseinladung bei seinen Eltern für uns.
    »Hör zu, Sean, das Ganze ist ein bisschen außer Kontrolle geraten, findest du nicht auch?«
    Er küsste mich erneut. »Absolut. Und zwar auf eine wunderbare Art.«
    Und dann stand er wieder auf und sammelte seine auf dem Fußboden verstreuten Kleider wieder ein.
    Man musste ganz einfach bewundern, wie sich seine straffen Rückenmuskeln spannten, als der Mann in seine Hose stieg.
    Um zehn zog er die Wohnungstür hinter sich zu, und ich starrte die Decke an. Mein Körper war befriedigt, doch mein Hirn kämpfte noch immer gegen ein undeutliches Unbehagen an.
    Um sechs Uhr in der Früh fuhr ich abermals mit wild klopfendem Herzen aus dem Schlaf. Jemand hämmerte mit beiden Fäusten gegen meine Wohnungstür. Mir ging der Gedanke durch den Kopf, dass Sean vielleicht zurückgekommen war, um sich die nächste Dosis Sex ohne Verbindlichkeiten abzuholen, doch nur einem Menschen würde es je einfallen, noch vor Tagesanbruch einen solchen Lärm zu machen, dass wahrscheinlich das ganze Haus was davon mitbekam.
    Mein Bruder trug ein dünnes Baumwollhemd, seine Zähne klapperten, und seine Pupillen waren derart geweitet, dass die Augen nicht mehr grün, sondern schwarz aussahen.
    »Du hast abgeschlossen«, murmelte er so leise, dass ich ihn kaum verstand.
    »Komm rein, Will.«
    »Das solltest du nicht tun, Alice. Niemals.«
    »Schon gut, Schätzchen, komm erst mal rein.«
    »Die Leute werden denken, dass du sie nicht magst.«
    »Natürlich mag ich dich. Und jetzt komm endlich rein, sonst erkältest du dich noch.«
    Es dauerte eine halbe Ewigkeit, ihn in den Flur zu locken, doch ihn einfach zu berühren hätte ich niemals gewagt. Im Deckenlicht der Küche sah er noch erbärmlicher als letzte Woche aus. Er war unrasiert, hatte eingefallene Wangen und wies an der Oberlippe eine große, schlechtverheilte Wunde auf. Die Muskeln in seinem Gesicht zuckten noch immer, und mit seinem grauenhaften eingefrorenen Grinsen sah er beinahe wie Joker aus den Batman-Filmen aus. Er hatte wieder mal wer weiß was eingeworfen, vielleicht Ketamin. Auf jeden Fall genug, dass sämtliche Nervenenden seines Körpers völlig übersteuert waren. Er drehte den Wasserhahn über der Spüle auf, hielt seinen Mund unter den Wasserstrahl, und als er gierig trank, zog ich die Tür der Speisekammer auf. Außer einer Tüte Reis und Tortilla Chips war nichts mehr da. Ich reichte ihm die Chips, und er riss die Packung auf und stopfte sich eine Handvoll in den Mund.
    »Wo ist dein Schlüssel, Will?«
    Er reagierte nicht, denn er war ganz aufs Essen
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