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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition)
Autoren: Kate Rhodes
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kann.« Seine Stimme klang entsetzlich schrill und atemlos.
    »Unsinn«, schnauzte Burns. »Du kehrst schließlich in das Haus von deiner Mum zurück.«
    Cley runzelte die Stirn. »Meine Mum ist tot.«
    »Wann haben Sie sie verloren?«, fragte ich.
    Cley wirkte einen Augenblick verwirrt, zählte dann aber die Zeitspanne sorgfältig an seinen Fingern ab. »Vor fünf Monaten, einer Woche und zwei Tagen.«
    »Tut mir leid zu hören«, sagte ich.
    Er verschränkte seine dünnen Finger und studierte seine Handrücken.
    »Wie sieht’s aus, Morris?« Burns’ Stimme war kalt genug, um jeden erstarren zu lassen, der in Hörweite war. »Bereust du, was du getan hast?«
    Die Frage verfehlte ihre Wirkung nicht. Cley ließ den Kopf auf seine Knie sinken, als hätte jemand den Faden durchtrennt, der ihn aufrecht gehalten hatte. »Ich war das nicht«, wisperte er. »Ich habe sie nicht angerührt.«
    »Halt die Klappe!«, fauchte Burns ihn angewidert an. »Ich bin diesen ganzen Blödsinn leid.«
    Ich blieb vollkommen ruhig. Es war leichter, durch Beobachtung als durch Fragen etwas über diesen Menschen zu erfahren. Er zitterte wie Espenlaub und hielt den Kopf auch weiterhin gesenkt. Eine Träne kullerte auf den schmutzigen Linoleumboden.
    »Hör endlich auf, uns etwas vorzumachen, Morris«, stöhnte Burns. »Das habe ich nämlich gründlich satt.«
    Als Cley endlich wieder aufsah, drückte sein Gesicht Angst und Unmut aus. Er wirkte wie ein Kind, das lieber weggelaufen wäre, als dass es sich noch einmal schlagen ließ.
    »Erzählen Sie mir, was passiert ist, Morris«, bat ich ruhig.
    »Jeannie war meine Freundin, manchmal habe ich ihr Geld gegeben. Weil ich wollte, dass sie schöne Sachen hat.« Cleys Falsettstimme entspannte sich etwas bei der Erinnerung.
    »Wie lange haben Sie Jeannie gekannt?«
    Er dachte gründlich nach, ehe er mir eine Antwort gab. »Lange. Ich habe sie jede Woche gesehen und habe sie gefragt, ob sie Lust hat, meine Freundin zu sein.«
    »Und was hat sie gesagt?«
    Er ließ den Kopf wieder nach vorne fallen, bevor die nächste fette Träne auf das Knie seiner gefängniseigenen grauen Jogginghose fiel. »Sie meinte, sie wäre nicht gut genug für mich.« Er rieb sich die Augen, und es war ihm deutlich anzusehen, dass er mühsam um Beherrschung rang.
    »Aber das fanden Sie nicht?«
    Er schüttelte vehement den Kopf. »Sie hat mich geliebt. Ich weiß, sie hat mich geliebt, weil sie mich manchmal bei sich schlafen gelassen hat.«
    Burns stieß einen lauten Seufzer aus, und Cley brach ab. Der Kragen seines grauen Oberteils wies einen breiten Schmutzrand auf, und ich fragte mich, wie oft er es riskierte, in den Duschraum des Gefängnisses zu gehen. Kein Wunder, dass man ihn in einer Einzelzelle hielt. Ebenso gut hätte er ein Neonschild hochhalten können, auf dem das Wort Opfer stand. Als wir aufstanden, um zu gehen, sah er mir ins Gesicht.
    »Alice Quentin.« Er sprach meinen Namen derart langsam aus, als präge er ihn sich für alle Zeiten ein.
    Auf dem Weg zurück hielt Burns an einer Frittenbude in der Wandsworth Road.
    »Er hat echt einen Narren an Ihnen gefressen«, klärte er mich auf. »Aber Sie haben Ihre Sache wirklich gut gemacht. Ein paar von meinen Mädels wollten nicht einmal im selben Zimmer wie er bleiben, weil sie sich vor ihm gegruselt haben.«
    Er schlürfte einen Riesenbecher schwarzen Kaffee, und ich kämpfte dagegen an, ihm zu erklären, dass ihm eine so große Dosis Koffein bestimmt nicht gut bekam. Weil das Letzte, was sein Herz noch bräuchte, eine chemisch verursachte Trainingseinheit war. Auf seiner Stirn hatten sich dicke Schweißperlen gesammelt, als wäre das Sitzen für ihn mindestens so anstrengend wie zu stehen. Das Gespräch im Knast hatte mir erheblich mehr über ihn verraten als über den Typen, dessentwegen wir dorthin gefahren waren. Er war obsessiv, verfügte nur über ein Minimum an Empathie und stand unglaublich unter Stress.
    Während ich Zucker in meinen Cappuccino rührte, fragte ich: »Wie hoch ist Cleys IQ?«
    »Unter fünfzig, was aber nicht das Geringste zu bedeuten hat. Den Volltrottel zu spielen gehört bei ihm ganz einfach zum Programm.«
    »Sie haben mir erzählt, dass er keine Lernprobleme hatte.«
    »Wahrscheinlich hat der kleine Scheißkerl bei dem Test geschummelt«, stellte Burns mit einem gleichmütigen Schulterzucken fest.
    »Und Sie sind sich völlig sicher, dass er diese junge Frau ermordet hat?«
    Er nickte derart heftig, dass sein Doppelkinn fast
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