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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition)
Autoren: Kate Rhodes
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Hausärzten und Dutzende von Rundschreiben von irgendwelchen Pharmaunternehmen, in denen ich für die Verschreibung der von ihnen auf den Markt geworfenen Produkte hübsche Schreibsets, teure Uhren und andere exklusive Zeichen ihrer Dankbarkeit angeboten bekam. Ich hätte meine Patientenakten bearbeiten sollen, doch mein Blick wanderte ein ums andere Mal zum Fenster, das, auch wenn das trübe Weiß des Himmels winterliche Schneefälle versprach, einen einmaligen Ausblick bot. London Bridge Station sah wie ein Spielzeugbahnhof aus, durch den ein halbes Dutzend winzig kleiner Züge fuhr, und im Osten schlängelte die Themse sich unter der Tower Bridge hindurch weiter zur Canary Wharf. Rote Lichter blinkten auf den Dächern all der Banken, wo Finanzmänner mit Unsummen jonglierten, und in der entgegengesetzten Richtung säumten zahllose Bürogebäude, die beinah so hoch wie die St. Paul’s Cathedral waren, den Fluss. Für ein Kind aus einem langweiligen Vorort war dies eindeutig das glamouröseste Szenario der Welt.
    Um kurz nach zehn rief unsere Sekretärin an und meldete einen Besucher unten an der Rezeption. Als ich das Erdgeschoss erreichte, sah ich einen hünenhaften Kerl neben dem Eingang stehen. Sein hellgrauer Anzug spannte sich um einen kugelrunden Bauch.
    »Dr. Quentin?« Dafür, dass er sicher 120 Kilo auf die Waage brachte, trat er unverhofft geschmeidig auf mich zu. »DCI Don Burns von der Polizei in Southwark. Danke, dass Sie mir Ihre Zeit schenken.«
    Sein Akzent war eine seltsame Mischung aus grobem Südlondon und aristokratischem Edinburgh, und die Augen hinter der dicken, schwarzgerandeten Brille lugten klein und forschend aus dem bleichen Mondgesicht hervor.
    Ich setzte ein höfliches Lächeln auf, erinnerte ihn aber daran, dass mir gar nichts anderes übrigblieb. Schließlich waren wir verpflichtet, Gutachten zu erstellen, wenn die Polizei uns darum bat. Jede andere Arbeit, ganz egal, wie wichtig sie möglicherweise war, musste dahinter zurückstehen.
    Auf dem Parkplatz brauchte der Inspektor mehrere Minuten, um sich hinter das Lenkrad seines tristen blauen Mondeo zu quetschen, in dem es nach abgestandenem Kaffee, Rauch und Frittierfett roch. Auf dem Weg zur Arbeit hatte er anscheinend bei McDonald’s haltgemacht und zum Abschluss seines Frühstücks noch eine gepafft.
    »Ich hätte auch zu Fuß zu Ihnen auf die Wache kommen können«, sagte ich. »Dann hätten Sie sich den Weg gespart.«
    »Wir fahren nicht aufs Revier. Ich erkläre Ihnen unterwegs, worum es geht.«
    Er fuhr in Richtung Süden und verfluchte dabei den Verkehr, der uns nur im Schneckentempo vorwärtskommen ließ. Anscheinend hatte er vergessen, dass er nicht alleine war, und war vollkommen in seine Fahrerei vertieft, bis wir endlich an der Themse waren.
    »Detective Chief Inspector. Sie sind offenbar ein ziemlich hohes Tier«, stellte ich fest.
    Er starrte weiter geradeaus. »Ziemlich hoch. Mir untersteht ein Großteil des Bezirks.«
    »Das ist ganz schön viel Verantwortung. Könnte nicht einer Ihrer Untergebenen mich fahren?«
    »Das wollte ich nicht.« Wir fuhren am Kraftwerk Battersea vorbei. Es sah aus wie ein riesengroßer umgedrehter Tisch, dessen Beine in den Himmel ragten. »Wir besuchen Morris Cley. Haben Sie von dem schon mal gehört?«
    »Vage. Er hat jemanden umgebracht, nicht wahr?«
    »Genau.« Er runzelte die Stirn. »Vor vier Jahren in Bermondsey. Eine Prostituierte namens Jeannie Anderson. Morgen kommt er wieder auf freien Fuß, weil irgendein gewiefter Anwalt es geschafft hat, seine Strafe zu halbieren.«
    »Wie das?«
    »Angeblich waren die Beweise gegen ihn nicht eindeutig genug.« Burns stieß einen Seufzer aus. »Totaler Schwachsinn. Aber er hat es geschafft, dem Richter einzureden, dass Cley Lernprobleme hat.«
    »Und die hat er nicht?«
    »Nie im Leben.« Stirnrunzelnd starrte er auf den immer dichter werdenden Verkehr. »Der aalglatte kleine Bastard tut den Leuten gegenüber so, als ob er ein Einfaltspinsel wäre, aber uns hat er wochenlang an der Nase herumgeführt, und jetzt will ich wissen, wie gut wir ihn überwachen müssen, wenn er wieder draußen ist.«
    »Klingt, als wäre er nicht unbedingt Ihr Lieblingskunde.«
    »Nein, ganz sicher nicht. Er ist ein windiger Bursche.« Burns setzte derart erbost den Blinker, als hätte er am liebsten kurzerhand den Hebel abgerissen und aus dem Fenster katapultiert. »Raten Sie mal, wer die besten Freunde seiner Mutter waren.«
    »Wer?«
    »Ray und Marie
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