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Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga

Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga

Titel: Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
Autoren: Lynne Wilding
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Pfosten, der das Spalier abstützte. Er versuchte, sich daran festzuhalten und sich hochzuziehen. Seine Finger umklammerten den Draht, die Blätter, die Ranken. Schweißperlen traten auf sein Gesicht und tropften von seiner Stirn. Das Salz brannte ihm in den Augen.
    Dann schwanden seine Kräfte, als hätte die Erde sie aus seinem Körper herausgesaugt. Er ließ sich auf den Boden fallen und legte sich auf die Seite, wo er sich wie ein Fötus
zusammenrollte. Er hatte unglaubliche Schmerzen. Seine Brust hob sich kaum noch, und sein Atem wurde zunehmend flacher. Er hatte nicht mehr die Kraft, sich zu bewegen. Rolfe verlor das Bewusstsein, war aber innerhalb von wenigen Minuten wieder da. Er öffnete die Augen und starrte in den Himmel über ihm. Sein Blick schweifte zu seinen kostbaren Trauben hinüber. Dünne Weinranken schienen sich auf ihn zuzubewegen und sich schützend um ihn zu legen. Der Schmerz kam wieder, ließ nach, kam zurück. Sein Körper wurde immer schwächer und gab schließlich nach.
    Mit zitternder Hand griff er nach einem Stiel, dessen dünne Ranken sich um seinen Zeigefinger wickelten. Sein Lächeln verwandelte sich in eine Grimasse, während ein weiterer scharfer Schmerz durch seine Brust fuhr und seinen ganzen Körper erbeben ließ, bevor er erschlaffte. Seine Lider flatterten und schlossen sich, und während der Schmerz langsam nachließ, atmete er aus und stieß einen leichten, gedehnten Seufzer aus …
     
    Angie Dupaynes tränenüberströmtes Gesicht spiegelte ihre Gefühle wider, als sie die Nummer in das Tastentelefon tippte. Niemals hätte sie damit gerechnet, einen solchen Anruf tätigen zu müssen.
    »Carla?« Sie wartete darauf, dass sich die Frau am anderen Ende der Leitung meldete. »Hier ist Angie.«
    »Hallo, Angie. Was ist los?«, sagte die Stimme herzlich. »Macht Dad dich wieder verrückt?«
    »Mmh, nicht ganz. Scheiße, Carla, es ist nicht einfach, es dir zu sagen, deshalb sage ich es geradeheraus. Es geht um deinen Dad. Rolfe ist...«
    Im Wohnzimmer ihres großen Hauses in Christchurch schüttelte Carla heftig mit dem Kopf, in dem sich alles zu
drehen begann. Angies Tonfall reichte aus, um ihr zu signalisieren, dass die Nachricht alles andere als positiv war. »Nein!«
    »Es tut mir leid. Er ist...«, Angie gelang es kaum, das Wort herauszubringen, »tot. Peter hat ihn zwischen den Rebstöcken gefunden. Wir haben sofort einen Krankenwagen gerufen. Die Sanitäter haben auf der Fahrt zum Krankenhaus versucht, ihn wiederzubeleben, aber Rolfe...«
    Carla hörte, wie Angies Stimme sich in ein Flüstern verwandelte, während sie um Fassung rang.
    »Der Notarzt sagte, es war ein schwerer Herzinfarkt, und dass er... schnell gestorben ist.«
    Carla Hunter sackte gegen die Wand. Sowohl ihr Herz als auch ihr Verstand weigerten sich, diese Worte zu akzeptieren. Doch nicht ihr Vater! Nicht ihr starker, gesunder Vater, der ganz allein in der Nähe von Marlborough, im Nordosten der Südinsel von Neuseeland, ein kleines, einigermaßen erfolgreiches Weingut besaß und dafür gelebt und davon geträumt hatte, Trauben anzubauen und Wein herzustellen, als wäre es eine Religion für ihn. Er war immer so voller Energie gewesen. Sie konnte sich absolut nicht vorstellen, dass er jetzt ganz ruhig dalag und sich nicht mehr bewegte. O Gott …
    »Bist du noch da, Carla? Bist du okay?«
    Carla wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie spürte, wie sich ihre Kehle zusammenschnürte, aber sie hatte keine Zeit, schlappzumachen und sich die Augen auszuweinen. Hinten im Hof spielte ihr Sohn Sam mit seinem heiß geliebten Rugbyball. Sie musste ihre Gefühle kontrollieren und überlegen, wie sie es ihm beibringen sollte … und was sie noch alles erledigen musste.
    »Nein. Ich bin nicht okay, Angie«, antwortete Carla. »Ich … ich versuche zu überlegen.«

    Ihr Kopf war völlig leer. Sie war wie benommen. Ihr Vater war tot. Der einzige Mensch, der ihr sehr viel bedeutete - mit Ausnahme von Sam, ihrer Mutter und Angie -, hatte sie verlassen. Jetzt war sie wirklich … alleine. Mit tränenüberfüllten Augen starrte sie auf den Stapel Hefte, die Hausaufgaben ihrer Zeichenklasse, die sie gerade korrigierte.
    »Ich weiß, es ist ein furchtbarer Schock, und wir hier oben versuchen ebenfalls, damit fertig zu werden«, sagte Angie besorgt. »Was... es gibt jetzt einige Dinge, um die du, hm, wir alle uns kümmern müssen.«
    »Ich weiß.« Carla stieß einen tiefen Seufzer aus und fuhr sich abwesend mit der Hand
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