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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme
Autoren: Gantt DeVa
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wie unverfroren ihr Vater von Fremden Respekt für die Tüchtigkeit seiner Frau einforderte. Diese Gedanken verblüfften Charmaine immer wieder, und wenn die Situation nicht so trostlos gewesen wäre, hätte sie am liebsten über seine großspurige Redeweise gelacht.
    »Ich hoffe, dass er sie wenigstens anständig bezahlt.« Die Worte wurden von dem Stück Fleisch erstickt, das er sich in den Mund stopfte. »Kein Mitglied meiner Familie darf für einen Hungerlohn arbeiten. Nein, Sir. Ich hoffe, er gehört nicht zu diesen verdammten, geizigen Aris–to–kraten, die immer nur einen Hungerlohn zahlen wollen. Nicht mit mir! Das erlaube ich nicht.«
    Wieder biss sich Charmaine auf die Zunge. Sollte sie ihm vielleicht vorhalten, dass er seine Frau zur Arbeit schickte und anschließend ihren Lohn für sich beanspruchte? Das war sinnlos. Abgesehen davon tat es Marie gut, wenn sie eine Stellung bekam, die sie unabhängig machte. Sie selbst ging zusammen mit den Waisenkindern in St. Jude Thaddeus zur Schule, wo sie vor den Brutalitäten ihres Vater geschützt war. Doch was besaß Marie? Sie hatte nur das schäbige Haus, in dem sie wohnten, und nicht die geringste Hoffnung, dass sich das in nächster Zeit ändern würde. Doch nun hatte sich etwas geändert. Vom heutigen Tag an würde das Haus der Harringtons ihrer Mutter eine Zufluchtsstätte bieten.
    »Guter Gott, Frau, wie konntest du nur so dumm sein?«
    »Es tut mir leid, John« – Marie versuchte ihren Mann zu beschwichtigen –, »aber ich konnte einfach nichts dagegen tun.«
    »Nichts dagegen tun?« Er schnaubte. »Und das soll ich dir glauben? Ich weiß genau, wie es war. Du wolltest die Stelle gar nicht! Du warst dir für die Arbeit zu schade.«
    »Nein, das stimmt nicht, John. Ich habe dir gesagt, dass Mr. Harrington lieber eine jüngere Frau möchte. Eher eine Tochter, die seine Frau unter ihre Fittiche nehmen kann.«
    Dieser Satz zog einen neuen Fluch nach sich. »Dann schick ihnen doch Haley«, meinte John Ryan.
    »Wie bitte?«
    »Du hast mich genau verstanden.« Je länger er darüber nachdachte, desto breiter wurde sein Grinsen. »Sie ist noch jung und genau das, was die Harringtons wollen. Sie wird der feinen Lady bestimmt gefallen.«
    »Nicht doch, John. Charmaine ist viel zu jung und muss erst die Schule beenden.«
    »Die Schule«, giftete er. »Wenn du mich fragst, war sie lange genug in dem verdammten St. Jude. Was hat sie dort schon gelernt, außer mir zu widersprechen? Es wird Zeit, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst verdient!«
    »Das ist nicht nötig«, widersprach Marie unvorsichtig. »Ich werde mich weiter nach Arbeit umsehen, und bis ich etwas Passendes finde, werden wir mit dem auskommen, was du im Lagerhaus verdienst. Ich weiß, es ist nicht viel, aber bisher haben wir es ja auch geschafft und …«
    »Ich arbeite nicht mehr im Lagerhaus«, unterbrach er sie.
    »Und warum nicht?«
    »John Duvoisin ist ein elender Trunkenbold, und ich arbeite nicht für Trunkenbolde. Lieber schicken wir Haley zu den Harringtons und leben von dem Lohn, den sie nach Hause bringt. Wenn du dann auch noch Arbeit findest, sind wir fein raus.«
    »Aber, John! Charmaine ist noch viel zu jung«, wiederholte Marie leise und hoffte inständig, dass er sich beruhigte. »Außerdem bekommt sie nicht genug Geld. Nein, nein, da gibt es noch andere Möglichkeiten. Und wenn es gar nicht anders geht, greifen wir auf das Geld zurück, das ich …« Zu spät!
    »Und welches Geld soll das sein?« John bedachte Marie mit einem vorwurfsvollen Blick, als ob sie ihn hintergangen hätte.
    »Ich rede von dem Geld, dass ich mir mit Wäschewaschen verdient habe.«
    »Das Geld, das du mit Wäschewaschen verdient hast?«, äffte er sie nach. »Und wie ist es dir gelungen, das vor mir zu verstecken?«
    »Das war nie ein Geheimnis, John. Es war mein Geld, und ich habe es zurückgelegt, falls …«
    » Dein Geld? Dein Geld?«, schrie er mit zornrotem Kopf. »Dieses Geld gehört mir, und zwar alles! Ich bin dein Mann! Ich kleide dich und deine Tochter, und ich gebe euch zu essen und biete euch ein Dach über dem Kopf. Oder stimmt das etwa nicht?«
    »Doch, John, genauso ist es. Aber …«
    »Halt endlich dein Maul! Und spar dir gefälligst diesen frommen Blick!«
    »Hört endlich auf!« Charmaine explodierte. Im nächsten Augenblick mäßigte sie sich jedoch, aus Angst, dass der Streit böse enden könnte. »Bitte, hört auf!«
    Doch ihr Protest vergrößerte die Wut ihres Vaters nur. »Eines lass
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