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Im Sog Des Boesen

Titel: Im Sog Des Boesen
Autoren: John Sandford
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vollgefressen, träge und mürrisch.
     
    Lucas hatte pechschwarze Haare mit grauen Strähnen, winterblasse Haut, breite Schultern, eine Adlernase, blaue Augen und auffällige Narben an Gesicht und Hals - Spuren des Jobs.
    Seine Vorfahren väterlicherseits, Pelzhändler, waren mit Nerz-, Biber- und Otterfellen auf dem Lake Superior, den anderen Großen Seen und dem Sankt-Lorenz-Strom unterwegs gewesen, bis einer dieser grimmigen Franzosen irgendwann die Nase voll hatte von Kanada und in die Staaten wechselte.
    Wann das passiert war, wusste niemand so genau, aber Lucas’ Vater erzählte gern, dass der Mann dabei wohl ein Fässchen Whiskey auf der Schulter trug.
    Mütterlicherseits stammte Lucas, den Genealogie nicht sonderlich interessierte, von Iren, Walisern und Deutschen ab.

     
    Wieder nahm er das Fernglas in die Hand, um Heather Toms auf der anderen Straßenseite zu beobachten, die sich gerade in der Küche einen Smoothie machte.
    Es würde sich nichts Wesentliches tun, dachte Lucas. Er konnte genauso gut nach Hause gehen.
     
    Lucas wohnte zehn Minuten von Heathers Apartment entfernt, in einem neuen Haus am Mississippi River Boulevard. Er und seine Frau Weather hatten es, genau ihren Bedürfnissen entsprechend, selbst entworfen. Das weitläufige zweistöckige Gebäude mit der geräumigen Garage, an der sich seitlich Efeu hinaufrankte, war ihnen gut gelungen, fand er.
    Er war etwa eine halbe Stunde daheim, lauschte dem Regen und blätterte eine Ausgabe des Musky Hunter durch, als er eher spürte als hörte, wie das Garagentor sich öffnete. Weather.
    Lucas sah auf die Uhr: Sie war früh dran.
    Er ging ihr entgegen. Sie brachte zwei große Einkaufstüten mit Lebensmitteln mit. Nach einem Blick ins Wohnzimmer fragte sie: »Wo stecken denn alle?« Alle, das waren ihr kleiner Sohn und die Haushälterin, die bei ihnen wohnte. Ihre Pflegetochter Letty hielt sich in der Schule auf.
    »Vermutlich dort, wo du gerade herkommst, im Supermarkt.«
    »Hm.« Weather ließ die Tüten auf die Arbeitsfläche plumpsen. »Dann haben wir am Ende dreißig Bananen.«
    Lucas küsste ihren Nacken, und sie drückte sich, die Haare feucht vom Regen, gegen ihn. Sie duftete nach Chanel. Nachdem sie ihm zuliebe einmal kurz mit dem Hinterteil gewackelt hatte, stieß sie ihm den Ellbogen in die Seite und sagte: »Wir müssen miteinander reden.«
    »Oje.«

     
    »Ich hab heute Alyssa getroffen«, sagte Weather und drehte sich um. Man sah ihr die finnischen Vorfahren an, nicht zuletzt der hellen, wachsamen Augen wegen. Sie war klein gewachsen, Ärztin, verstand sich selbst als Managerin und Lucas als Arbeitstier, oder auch: sich selbst als Bildhauerin, die das Holzscheit Lucas formte. »Besser gesagt, sie ist zu mir ins Fitnessstudio gekommen.«
    »Hm …« Er schüttelte den Kopf. »Nichts Neues von ihrer Tochter?«
    »Nein, aber darum geht’s nicht. Hast du die Sache mit dem Mord in Minneapolis mitgekriegt, vorgestern Nacht?«
    »Der Barkeeper.«
    An jenem Tag waren in Minnesota zwei Menschen umgebracht worden. Da es sich bei dem einen Opfer um eine junge blonde Frau mit großen, festen Brüsten handelte, hatten die Fernsehsender den Barkeeper stiefmütterlich behandelt.
    »Ein Goth«, erklärte Weather. »Er hat sich in denselben Kreisen bewegt wie Frances. Obwohl die Polizei in Minneapolis nicht weiß, wer’s gewesen sein könnte, hat sie sich an Alyssa gewandt, wegen der Ähnlichkeit der Morde. Alyssa sagt, bei Frances wäre ziemlich viel Blut im Spiel gewesen …«
    »So sicher sind wir uns da noch nicht«, erklärte Lucas. Er warf einen Blick in die Einkaufstüten, entdeckte einen weißen Beutel vom Bäcker und sah hinein: Zimtbrötchen. Lucas schob sich eines in den Mund. »Es könnte auch eher wenig Blut gewesen sein, allerdings über eine große Fläche verschmiert.«
    »Keine Gewebe- und Hautspuren«, sagte Weather. »Nur Blut.«
    »Wenn der Stich durch die Bluse hindurch ins Herz gegangen ist, wäre es nicht viel. Der Stoff wirkt wie ein Sieb«, bemerkte er mit vollem Mund.
    »Bei dem Barkeeper sieht die Sache anders aus.« Als Ärztin
kannte Weather sich mit Blut aus. »Ich hab mit Feeney drüber gesprochen. Er meint, der Mann wurde praktisch aufgeschlitzt. Mit einem langen, schweren Messer - möglicherweise ein Jagd-, wahrscheinlicher jedoch ein extrem scharfes Fleischermesser. Drang auf Nabelhöhe ein, wurde hoch- und rausgezogen und durchtrennte dabei die Bauchaorta. Der Magen wurde ebenfalls verletzt, so dass ein Teil des
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