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Im Sog Des Boesen

Titel: Im Sog Des Boesen
Autoren: John Sandford
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Alyssas Fleisch und Blut. Auseinandersetzungen, bei denen es meist um Hunter, den Vater und Ehemann, ging, hätten mit ein bisschen Zeit beigelegt werden können, doch genau die war ihnen nicht vergönnt.
    Also versuchte die weinende Alyssa, Politiker zu mobilisieren. Aber die wanden sich heraus. Alyssa war ihnen lästig.
    Sie wandte sich der Astrologie zu, mit Hilfe der aktuellsten Software. Und sie sprach mit einem Fachmann an der Ostküste, der mutmaßte, dass Frances noch am Leben war. Das Horoskop der jungen Frau wies auf eine Zeit der Dunkelheit, jedoch nicht auf ihren Tod hin.
    »Am Leben?«
    »Man sollte diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Ich sehe eine Instabilität, einen Schwebezustand …«
    Die Karten sagten das Gleiche. Alyssa legte seit ihrer
Teenagerzeit vor jeder wichtigen Entscheidung Tarot und hatte Erfolg, großen Erfolg.
    Doch obwohl die Karten und die Sterne sich darüber einig waren, dass Frances, oder zumindest ein Teil von ihr, sich noch im Diesseits aufhielt, fehlte von ihrer Tochter nach wie vor jede Spur.
     
    Die Last der Ungewissheit drohte Alyssa zu erdrücken. Tagsüber nahm sie Xanax, am Abend Ambien. Dann begann sie, Xanax als Grundlage für das Ambien zu schlucken und hinterher ein Glas Wein als Grundlage für das Xanax zu trinken, und konnte trotzdem nicht schlafen.
    Sie wälzte sich im Bett hin und her; ihre Gedanken gaben vierundzwanzig Stunden am Tag keine Ruhe. Manchmal meinte sie aus den Augenwinkeln Frances auf dem Sofa sitzen zu sehen. Oder sie ging nachts nach unten, weil sie glaubte, Frances’ Lieblingsmusik zu hören, was sich jedes Mal als Halluzination entpuppte.
    Sie spürte einen Luftzug, als wäre jemand an ihr vorbeigegangen. Und sie sah Omen: Krähen auf einem Zaun, Symbole des Todes, die sie stumm und furchtlos anstarrten. Einen Feuerball am Himmel, wenn sie zufällig an Frances dachte. Frans Gesicht in einer Menschenmenge, das sich abwandte und verschwand, wenn sie hinhastete.
    War Frances am Leben oder tot?
    Oder in einem Schwebezustand?
     
    Fairy kannte manche der Antworten oder glaubte sie zumindest zu kennen.
    Alyssa war eine blonde, gutherzige, moderne Frau mit einer Neigung zu New-Age-Theorien, Fairy hingegen dunkel, zwanghaft, präraffaelitisch. Während Alyssa sich bemühte, den Dingen auf den Grund zu gehen, wusste Fairy sofort, was mit Frances geschehen war, und sann auf Rache.

    Fairy stieg aus der Dusche und trocknete sich auf dem Weg ins Schlafzimmer ab. Dort warf sie das Handtuch aufs Bett und wählte aus der Reihe der Parfümflaschen auf der Frisierkommode die mit der Aufschrift »Obsession«. Sie sprühte etwas auf Nacken und Ausschnitt und betrachtete sich mit prüfendem Bick im Spiegel.
    Nicht sie selbst nannte sich Fairy - Fee -, das taten andere. Aber der Name passte; ein Paar Flügel, und man hätte sie für eine böse Fee halten können.
    Da tauchte Loren auf. »Du siehst gut aus, echt gut. Dein Hintern ist …«
    »Ich hab jetzt keine Zeit für solche Sachen. Ich muss mich anziehen«, bremste ihn Fairy. »Aber du kannst mir dabei zuschauen.«
    »Ich weiß. Und später dann beim Ausziehen.« Seine dunklen Augen begannen, gierig zu flackern.
    Sie schlüpfte in eine schwarze Strumpfhose, ein leichtes Thermounterhemd, einen weichen schwarzen Rock, eine schwarze, mit scharlachroten Fäden durchzogene Seidenbluse, legte dunklen Lippenstift auf, zog ihre Augenbrauen nach, tuschte sich die Wimpern und schüttelte ihre Haare aus, die sich wie ein schwarzer Wasserfall über ihre Schultern ergossen.
    »Wunderschön.«
    »Danke.«
    »Tja, dein Lover ist eben ein Ästhet.«
    Fairy holte die kurze schwarze Lederjacke aus dem Schrank und zog sie an. Sie machte breitere Schultern und verlieh ihr Haltung. Dazu fünf Zentimeter hohe Schuhe, die sie größer wirken ließen. Fertig.
    »Das Messer?«, fragte Loren.
    »Hier.« Sie klopfte auf die Brusttasche der Jacke, spürte es darin, ganz neu von Target, aus schwarzem Hartplastik und grauem Stahl, rasierklingenscharf.

    »Dann lass uns aufbrechen.« Loren lächelte, das Gesicht ein helles Oval über der dunklen Kleidung. Fairy ergriff seine Hand, und sie machten sich auf den Weg.
    Loren hatte Frances’ Killer aufgespürt; gemeinsam waren sie ihren Laptop und ihre Fotos durchgegangen - Tausende, mit Handy und Nikon aufgenommen, elektronisch gespeichert, Hunderte ausgedruckt, gestapelt in Körben und Schubladen oder an die Kühlschranktür geklebt: eine Dokumentation ihres Lebens, aus dem nach einer Weile
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