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Im Schloss der schlafenden Vampire

Im Schloss der schlafenden Vampire

Titel: Im Schloss der schlafenden Vampire
Autoren: Stefan Wolf
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Sache natürlich ganz anders aus.
    „Aber da wir nun mal wieder
vereint sind — auch an diesem Wochenende“, sagte Gaby und pustete die
Goldfransen aus ihrer Stirn, „nehme ich euch einfach mit.“
    „Lieb von dir“, lächelte Tim.
    Dann wurden alle vier kurz
geschüttelt, denn der Zug ruckte als werde er geschubst — zweimal. Abfahrt —
hieß das. Und jetzt fuhr er auch tatsächlich, pünktlich um 14.05 Uhr. Die
Fahrtdauer würde eine Stunde betragen — mit fünf Haltestationen, denn
Prinzenruh liegt wirklich nicht weit von der TKKG-Stadt, der
Millionenmetropole.
    „Wir reisen bereits“, erklärte
Klößchen und hob einen Finger. „Was die Infos betrifft, Gaby, bin ich etwas im
Rückstand. Tim hat dreimal angesetzt zum Erklären, aber immer kam was
dazwischen. Ich weiß zwar, dass es um deine Halbjahresarbeit für Biologie geht
mit dem Thema Fledermäuse - aber mehr weiß ich nicht.“
    Gaby nickte. „Fledermäuse sind
ein tolles Thema. Sie interessieren mich. Völlig zu Unrecht haben sie einen
schlechten Ruf, weil sie den Menschen unheimlich sind. Für meine Arbeit will
ich nicht nur aus Bio-Büchern abschreiben. Eigenständige Arbeit mit möglichst
neuen Erkenntnissen wird ja besonders gut benotet und da habe ich den Zufall
gepackt, als er sich anbot. Ich meine Julia Lorenz. Sie hat jetzt ihr
Biologie-Studium abgeschlossen, macht ihre Doktorarbeit über Fledermäuse und
ist Mitglied bei uns im Tierschutzverein. Daher kenne ich sie. Ist riesig nett.
In diesem Sommer hat sie im Schloss Prinzenruh Feldarbeit gemacht, das heißt,
Forschung vor Ort — denn im Dachboden des Schlosses wimmelt es von Fledermäusen,
die übrigens die einzigen Säugetiere sind, die fliegen können. Julia hatte sich
an den Schlossherrn gewandt — an den Grafen Anselm von Lauchtingen — und der —
Friede seiner Asche! - hat ihr, Julia, gestattet, sich im Schloss
einzuquartieren für Forschungszwecke.“
    „Wieso Friede seiner Asche?“,
fragte Klößchen. „Ist er verblichen und die Erlaubnis wurde per Fax aus dem
Jenseits erteilt?“
    „Er ist tatsächlich
verstorben“, nickte Gaby. „Im Juni. Ist 91 geworden und hätte vielleicht 100
geschafft. Aber dann ist er beim Golf spielen über das fünfte Loch gestolpert
und so unglücklich gestürzt, dass es tödlich war. Die Erlaubnis für Julia war
seine letzte gute Tat. Und die hatte er auch nötig — am Ende seines Daseins.
Denn früher — das weiß ich von Julia — soll er ein ziemlicher Wildbeutel
gewesen sein.“
    „Wieso?“, wollte Karl wissen.
    „Er war sechsmal verheiratet.“
    „Und ist trotzdem so alt
geworden?“ Karl lachte.
    „Die ersten zwei Ehen waren
kinderlos“, berichtete Gaby. „Die sechste auch. Zuletzt war er Witwer. Aber aus
dritter, vierter und fünfter Verbindung hat er je einen Sohn. Das sind nun die
Erben.“
    „Wie teilt man ein Schloss
durch drei?“, überlegte Tim. „Die gräflichen Jungs haben jetzt sicherlich ein
Problem.“
    „Die Jungs sind erwachsene
Männer und werden mit Erlaucht angeredet. Außerdem, Tim, habt auch ihr drei ein
Problem. Denn ihr wollt doch im Schloss wohnen?“
    „Wo ist das Problem — bei 80
Zimmern? Und verwöhnt sind wir ja nicht, was Komfort betrifft und
Zimmerservice. Wir sind Internatsschüler. Das kommt gleich nach JVA.“
    „Wonach?“ Gaby hob die Brauen.
    „Nach Justizvollzugs-Anstalt.
Knast.“
    „Hihihahah! Ihr liebt doch eure
Penne.“
    „Na und wie! Außerdem ist
hiermit versprochen, dass wir im Schloss leise und unaufdringlich sind. Wir
werden eure Feldforschung nicht stören, sondern Wissenswertes über die kleinen
Vampire anspecken. Oder sind wir deiner Julia im Wege?“
    „Nö, bestimmt nicht. Aber ihr
hättet euch anmelden können.“
    „Dafür war keine Zeit mehr,
Gaby. Die Blitzentscheidung kam aus dem Gefühl. Vielleicht können wir uns beim
Verwalter nützlich machen. In einem 80-Zimmer-Schloss fallen sicherlich
Reparaturen an — etwa 50 pro Tag. Und wir haben alle unsere Taschenmesser mit.“
Tim grinste.
    „Das Schloss wird seit zwei
Monaten renoviert — jedenfalls in den unteren Etagen. Der alte Anselm hatte da
schon lange nichts mehr getan. Seit 1970 kann es besichtigt werden. Davon lebte
der Graf. Ich glaube, fünf Mark kostet der Eintritt. Aber richtige Kunstwerke
von Rang — Gemälde — hat er wohl nicht. Was bei ihm an den Wänden hängt, sind
mehr die Sonntagsmaler aus den letzten 300 Jahren. Unbekannte Künstler.
Sicherlich wäre der Eintritt sonst
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