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Im Schatten des Ringes

Im Schatten des Ringes

Titel: Im Schatten des Ringes
Autoren: Cynthia Felice
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die Kraft, schwerere Lasten über weitere Entfernungen zu tragen?“
    „Ja. Sklaven können von den Klippen aus das Meer sehen, daher weiß ich immer, wann ich meine Körbe zu den Klippenbewohnern hinunterlassen muß. Es überrascht mich sowieso, daß du heute keinen bei dir hast, um dir bei der Betrachtung der Himmelsbrücke helfen zu lassen.“
    Ich schaute hoch. Die Wolken waren nun schon sehr dünn, und ich konnte den düsteren Schatten der Himmelsbrücke darüber erkennen, die sich als eine graue Linie von Horizont zu Horizont spannte. „Ich habe keinen Sklaven.“ Er wußte sehr wohl, daß die einzigen Sklaven in der Stadt entweder seine eigenen waren oder zu der Besatzungsmacht des Erobererkönigs gehörten.
    „In meinem Heim gibt es einen weiblichen Sklaven. Sie trägt zur Zeit ein Kind aus, und ich kann sie daher für eine Weile nicht richtig einsetzen. Wenn sie dir in irgendeiner Weise behilflich sein kann, dann laß sie kommen.“
    Ich nickte. Die Vorstellung war sonderbar, aber sie gefiel mir.
    „Gern geschehen“, sagte Baltsar.
    Diesmal war es lediglich die Tatsache, daß ich abgelenkt war, weshalb ich so unhöflich reagierte. „Baltsar“, sagte ich laut. Er blieb stehen, wandte sich um und wartete, daß ich weiterredete. Ich erhob mich von meinem felsigen Sitz und ging zu ihm hin.
    „Woher weißt du meinen Namen?“ fragte er.
    „Jeder hier kennt den Namen des bekanntesten Wucherers der Stadt“, sagte ich.
    „Liegt wohl an meiner Schönheit“, sagte er und zeigte mir seinen zitternden Schwanz.
    Ich lächelte, schlang mir meinen Schwanz verschämt um die Taille und schnurrte: „Danke, Baltsar.“
    Ich nahm wirklich an, daß Baltsar über die Beschuldigung, ein Wucherer zu sein, oder vielleicht über Rellar oder sogar den Tempel reden wollte, standen diese drei Dinge seiner Meinung nach doch in einem engen Zusammenhang. Aber Baltsar lächelte nur, nickte und entfernte sich.
    Ich schaute ihm nach, wie er und der Sklave sich auf den Weg machten. Dann kehrte ich zum Feuer zurück. Ein Wind kam auf, wehte mir vom Meer her entgegen und hatte mit seiner Feuchtigkeit den Pelz zwischen meinen Fingern verklebt und zottig gemacht.
    Ich hielt meine Hand mit ausgespreizten Fingern ans Feuer und zupfte die Strähnen so lange, bis sie wieder glatt und seidig waren. Ein weiblicher Sklave, offensichtlich die Schwangere, die Baltsar erwähnt hatte, begann damit, das Geschirr und die Überreste der Mahlzeit wegzuräumen. Auch sie war in wollene Kleidung eingemummt, und ich konnte nicht einmal ihre Haare sehen, welche, abgesehen von ihrer Schwangerschaft, das einzige Zeichen waren, das sie von den anderen Sklaven unterschied. Ihre blassen, pelzlosen Hände waren ohne Narben, und die Haut, die die Stummelfinger bedeckte, schien sauber zu sein. Sie ging geschickt und leise mit dem Geschirr um, als wäre das Lager die Küche ihres Herrn.
    Als alle Teller und Schüsseln außer meiner Tasse und dem Teekessel auf ihrem Tablett standen, schaute sie mich fragend an, ob ich zustimmend nickte oder die Stirn runzelte. Ich stellte fest, daß ihre Wangen voll waren und ihre Rehaugen nicht die charakteristischen dunklen Ringe aufwiesen. Es war daher unwahrscheinlich, daß sie den üblichen Sklavennamen Ringauge trug; wahrscheinlich hätte sie auf diesen Namen gehört, wie die meisten von ihnen es zu tun pflegten. Daß sie ohne Aufsicht arbeitete, machte mich noch neugieriger. Hieß sie vielleicht Fleißig? Oder Zuverlässig?
    „Wie wirst du genannt?“
    „Manya“, sagte sie und zog die Lippen zurück, um ihre flachkroni-gen Zähne zu entblößen, was ich als Imitation eines menschlichen Lächelns interpretierte.
    Ich lachte, einmal über ihr Lächeln und zum anderen darüber, daß sie einen menschlichen Namen trug. Baltsar schien noch ungewöhnlicher zu sein, als ich angenommen hatte, weil der Name wahrscheinlich von ihm stammte. Manya runzelte die Stirn bei meinem Gelächter. „Der Kaufmann hat Humor“, beruhigte ich sie. „Oder bist du sein Lieblingsspielzeug?“
    Manyas Augen weiteten sich, und sie glättete ihr Kleid über dem runden Leib. Sie wollte etwas sagen, biß sich jedoch auf die Lippen und schwieg. Ich hatte den Eindruck, als hätten ihre Augen aufgeblitzt.
    „Bist du jetzt schockiert, Manya?“ fragte ich und gestand zum erstenmal ein, daß ich eine solche Empfindung auch bei Sklaven für möglich hielt.
    „Nein, ich bin verletzt“, antwortete sie. „Dies ist eine schlimme Beschuldigung gegen einen
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