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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes
Autoren: Evita Wolff
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haben, auf dem er epochemachende Vollblutpferde züchten würde. Er wollte Land, er wollte Siege, und vor allem wollte er eigene hochblütige Pferde, die er nicht hergeben mußte, wenn sie wieder zu dem geworden waren, was von ihnen erhofft werden durfte. Er wollte das, seit er ein kleiner Junge war. Als Kind hatte er darum gebetet. Früh war ihm klargeworden, daß es dazu mehr brauchte als Träume und Können und Gebete, mehr, viel mehr. Dazu brauchte es Kapital, das groß genug war, um in schwierigen Zeiten ein Polster zu bieten, und darum lebte er so spartanisch wie möglich und legte jeden Penny auf die Seite und schlug niemals einen Auftrag aus, selbst wenn es bedeutete, zwanzig Stunden täglich zu arbeiten.
Aber mehr noch als Ehrgeiz und Sparsamkeit brauchte es zur Erfüllung dieses Traums den geeigneten Boden, die geeigneten Pferde, um eine Zucht zu begründen – wie die, über die die Familie Fargus herrschte. Bald würde er diese Herde sehen und sich sein eigenes Bild davon machen können. Bei diesem Gedanken schlug sein Herz schneller.
»Wir sind bald da«, sagte Emily Fargus, und seine geschärften Sinne nahmen die leise Spannung in ihrer Stimme überdeutlich wahr. Augenblicklich setzte er sich auf. Von hinten kam ein leises Schnarchen. Turner war in der Sommerhitze eingenickt.
»Sehen Sie, Mr. Gustavson? Da vorn, hinter dem Waldgürtel, da liegen die Weiden unseres Anwesens.«
»Sunrise – ich habe mich schon oft gefragt, ob der Name Ihres Gestüts wohl mit Sham, dem Urvater des Englischen Vollblutes zu tun hat, aber ich habe es nie herausfinden können.«
»Gewiß.« Sie nickte eifrig. Heute trug sie ihr Haar offen. Es war eine weiche, wellige, beinah schulterlange Masse von der Farbe eines Rehfells im Sommer, durchzogen mit einigen Silberfäden. »Sie wissen, daß Sham das arabische Wort für Sonne ist? Vor vielen Jahren gelangte die Familie Fargus in den Besitz einer erbarmungswürdig aussehenden Stute. Sie war schon recht alt, es war eigentlich nichts mehr von ihr zu erwarten. Sie hatte einen Kohlewagen gezogen, war auf der abschüssigen Straße gestrauchelt und gestürzt, niemand konnte sie mehr auf die Beine bringen –«
»So ähnlich ging es auch mit Sham in seinen schlechtesten Zeiten, wenn ich mich recht der Geschichte entsinne.«
Sie hatten den Buchenwald erreicht, dunstig grün wurde das Licht unter dem dichten Laubwerk. Eric hatte das Fenster geöffnet, lauschte dem Gesang der Vögel und fühlte, daß auch Emily Fargus darauf lauschte. Er fürchtete, sie werde vergessen, was sie hatte sagen wollen, fürchtete, daß sie ganz und gar eingenommen würde von der Freude, nach Hause zu kommen.
»Also dieser Stute ging es ähnlich wie Sham in seinen schlechtesten Zeiten. Und dann?«
Seine Stimme war so fordernd, daß Emily Fargus antworten mußte: »Der Mann, von dem ich spreche, kaufte sie für eine Handvoll Pennies und brachte sie auf seinen Hof, damit sie in Frieden sterben könnte. Aber sie starb nicht. Sie erholte sich, und eines Nachts brach ein junger Vollbluthengst in ihre Weide ein und deckte sie, sie wurde tragend und brachte ein prachtvolles Fohlen zur Welt. Es wurde der Begründer der Fargus-Zucht.«
»Aber ...« Eric war tief verwirrt. Er brauchte einige Zeit, um seine Gedanken zu sortieren. »Aber – ich nehme an, Sie wollen sagen, diese Stute sei ein Nachkomme Shams gewesen
– aber woher nahm Ihr ... Ihr Vor-Ur-oder-was-auch-immerAhn die Gewißheit, diese Stute sei edelsten Geblüts?!«
»Sie hatte Papiere.« Emily Fargus schaltete, denn jetzt fiel die Straße steil ab. Sie hatten die Anhöhe des Buchenwaldes hinter sich und fuhren tief hinein in ein dunkles Tal.
»Papiere!«
»Ja. Als Hugh Fargus sie aus Mitleid erwarb, gab ihm der Besitzer einen Bogen gerollten Papiers mit dazu. Er sagte, er habe das Papier bekommen, wie alle Besitzer vor ihm, und es hatte ihm als Notizpapier gedient, er hatte Zahlen in Kohle darauf gekritzelt – er hat nicht gewußt, was für eine Kostbarkeit sich in seinem Besitz befand. Wahrscheinlich konnte er kaum lesen. Dieses Papier besagte, daß die Stute aus der Linie Man o' Wars stammte, und damit läßt sich ihr Blut bis auf den Begründer des britischen Vollblutes, bis auf den Godolphin Arabian, auf Sham, zurückführen.«
»Aber Shams Papiere, sein Stammbaum, ging verloren auf seiner Odyssee!«
»Shams Papiere, ja, die wohl. Darum durfte er seinerzeit nicht in New Market zum Rennen antreten, und wie Sie sicher auch wissen, wurde darum seinem
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