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Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)

Titel: Im Schatten des Krans: Ein historischer Kriminalroman aus Hamburg (German Edition)
Autoren: Jürgen Rath
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wäre.
    Cäcilie Schröder legte ihr dickes Warenkunde-Buch auf das Pult von Harms, kramte eine Kerze aus den unzähligen Falten ihres Kleides, schlug geschickt den Feuerstein und entzündete das Licht.
    Moritz schüttelte ärgerlich den Kopf. »Warum schon wieder Warenkunde? Du brauchst das nicht zu wissen, das ist Alexanders Aufgabe. Er ist der Mann, der später das Geschäft übernimmt   –«
    Cäcilie unterbrach ihn mit einer heftigen Handbewegung. »Alexander ist ein Träumer. Der wird niemals ein guter Kaufmann werden. Ich weiß schon heute mehr über Handelsgüter als er. Ich weiß, wie sie gelagert werden müssen und welchen Wert sie haben.«
    »Hat deine Mutter nicht gesagt, dass du kochen lernen sollst?«
    Cäcilie stapfte empört mit dem Fuß auf. »Ja, das hat sie! Doch warum soll ich kochen lernen, wenn ich nie in meinem Leben kochen werde? Ich heirate einen erfolgreichen Kaufmann. Oder einen Oberst der Bürgerwehr. Oder einen reichen Kapitän. Jedenfalls einen Mann, der eine Kochfrau beschäftigt.«
    Damit war die Diskussion beendet. Moritz beantwortete ihre Fragen bezüglich verschiedener Waren nach bestem Wissen und Gewissen, und er hatte ein umfangreiches Wissen, denn sein Vater hatte ihm viel über die Lagerung der Handelsgüter beigebracht. Später dann, als Cäcilies Neugierde gestillt war, zog sie einige unbeschriebene Blätter aus dem Buch hervor.
    »Deutschstunde!«
    »Keine Nachhilfe«, wiegelte Moritz ab, »es reicht mir für heute.«
    Cäcilie blitzte ihn böse an. »Keine Ausflüchte. Ich mag es nicht leiden, dass Harms dich ständig verbessert. Du schreibst jetzt!«
    Nachdem Moritz eine Zeit lang nach ihrem Diktat geschrieben und sie ihn wie eine strenge Lehrerin korrigiert hatte, griffsie nach dem Warenkunde-Buch, raffte ihre Röcke und war mit schnellen Schritten bei der Tür.
    »Papa kommt bald nach Hause«, flüsterte sie, »er darf mich hier nicht sehen.«
    Moritz legte erschöpft die Feder beiseite. »Warum machst du ständig diese ekligen Übungen mit mir?«
    Cäcilie, schon auf der untersten Stufe, warf den Kopf herum und blickte ihn von oben herab an. »Mein Gott, Moritz, wie oft soll ich es dir noch sagen? Ich mag dich. Sicherlich bist du irgendwann einmal ein erfolgreicher Kaufmann. Dann werde ich dich heiraten   – vielleicht. Ich mag aber keinen Mann, der zu dumm ist, einen ordentlichen Brief zu schreiben.«
    Während Cäcilie leichtfüßig die Treppe hinaufeilte, stand Moritz am Pult und schüttelte verwirrt den Kopf. Er war sich ziemlich sicher, dass er kein erfolgreicher Kaufmann werden würde, und ob er Cäcilie heiraten wollte, darüber war er sich überhaupt nicht klar.

2
    Moritz schloss die Tür des Handelshauses, zog seine Jacke vor der Brust zusammen und eilte die Straße entlang. Es war dunkel und kalt auf der Großen Reichenstraße. Die Feuchtigkeit kroch ihm unter die Kleidung, da hätte es nicht auch noch des Regens bedurft. Aber das war nun einmal so im winterlichen Hamburg. Er bog in die Brandstwiete ein und erreichte die Kornhausbrücke. Für einen Augenblick blieb er stehen und schaute hinunter. Schwarz und träge stand das Wasser im Dovenfleet, der Gestank von Moder und Fäkalien drang in seine Nase. Die Kerzen in den Straßenlaternen leuchteten so schwach, dass sie sich kaum im Wasser widerspiegelten. Ein Gegenstand trieb langsam unter der Brücke hindurch, Moritz konnte nicht genau erkennen, was es war. Ein Stück Segeltuch vielleicht, oder ein Kleiderbündel.
    Schließlich erreichte er, ziemlich durchnässt, den Hinterhof in der Holländischen Reihe, in dem er mit den Eltern und dem älteren Bruder wohnte. Aus dem Bretterverschlag neben dem Hauseingang roch es säuerlich mit einem Hauch von Verwesung. Ein streunender Hund, der an der Tür gescharrt hatte, machte sich mit eingekniffenem Schwanz davon.
    Moritz kletterte die knarrenden Stufen nach oben und öffnete die Wohnungstür. Der Vater und Jan hatten sich gerade zum Essen hingesetzt. Moritz zwängte sich auf die Küchenbank neben seinen Bruder, die Mutter nahm den schweren Kochtopf vom Herd und stellte ihn auf den Tisch.
    Johann Forck verzog das Gesicht, als sie ihm Fleischstücke auf den Teller füllen wollte. »Kein Fleisch! Ich mag es heute nicht riechen.«
    Die Mutter reagierte beleidigt. »Heute ist Sonnabend. Es gibt immer Fleisch am Sonnabend.«
    Der Vater lehnte sich angeekelt zurück. »Wir haben heute eine Ladung Schweinsdärme angenommen, was wir sonst nie machen. Ich hasse diese
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