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Im Schatten der Akazie

Im Schatten der Akazie

Titel: Im Schatten der Akazie
Autoren: Christian Jacq
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Ellen lange Hornviper seitwärts auf das Paar zu, das sich im Schutz einer Palme liebte. Nachdem die Schlange den ganzen Tag im Sand vergraben zugebracht hatte, trat sie nun bei Einbruch der Dunkelheit ihren nächtlichen Beutezug an. In dieser heißen Jahreszeit führte ihr Biß sofort zum Tod.
    Anscheinend waren sich weder der Mann noch die Frau, die einander leidenschaftlich umschlangen, der Gefahr bewußt.
    Lachend, katzenhaft und so geschmeidig wie eine Liane, nötigte die hübsche Nubierin ihren Liebhaber, einen stämmigen Mann von etwa fünfzig Jahren mit schwarzem Haar und dunkler Haut, seine ganze Männlichkeit aufzubieten. Bald einschmeichelnd sanft, bald begierig fordernd, ließ sie dem Ägypter keine Atempause, und er bedrängte sie so ungestüm, als wären sie zum erstenmal zusammen. In der lauen Nacht teilten sie die Freuden ihrer Sinne, die glühten wie die Sommersonne.
    Die Schlange war kaum noch zwei Schritt von dem Paar entfernt.
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    Mit gespielter Grobheit rollte der Mann die Frau auf den Rücken, dann liebkosten seine Lippen ihre Brüste. Bereitwillig empfing sie ihn, und sie schwelgten in ihrer Lust.
    Dennoch packte Lotos mit raschem, festem Griff die Hornviper knapp unterhalb des Kopfes. Die Schlange zischte und biß ins Leere.
    »Ein schöner Fang«, stellte Setaou fest, ohne den Liebesakt mit seiner Gemahlin zu unterbrechen. »Gift von erlesener Güte, das uns mühelos zufällt.«
    Plötzlich verging der hübschen Lotos jedoch die Freude an der Lust.
    »Mir schwant etwas Schlimmes.«
    »Wegen dieser Viper?«
    »Nein, Ramses ist in Gefahr.«
    Der Schlangenkundige, auch er ein Freund des Pharaos seit Kindertagen und von ihm mit der Verwaltung einer nubischen Provinz betraut, nahm die Warnungen der schönen Zauberin, die er geheiratet hatte, sehr ernst. Zu zweit hatten sie eine Menge Schlangen eingefangen, von denen die einen gefährlicher waren als die anderen und deren Gift für die Zubereitung wirksamer Arzneien gegen schwere Krankheiten unerläßlich war.
    Auf ihre Freiheit bedacht und eher ungesellig, hatten Setaou und Lotos den König dennoch auf all seinen Feldzügen begleitet, im Süden wie im Norden, und die verwundeten Soldaten behandelt. Mit der Leitung einer staatlichen Forschungsstätte für Heilmittel waren sie grenzenlos zufrieden gewesen, ehe der Pharao sie bat, sich der nubischen Region anzunehmen, die sie so sehr liebten. Der Vizekönig von Nubien, ein Beamter, der sein Fähnchen stets nach dem Wind hängte, gab sich zwar alle Mühe, sie in ihren Anstrengungen zu behindern, fürchtete sich aber auch vor diesem Paar, das seine Wohnstätte von Kobras bewachen ließ.
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    »Um welche Gefahr handelt es sich?« fragte Setaou.
    »Das weiß ich nicht.«
    »Siehst du ein Gesicht?«
    »Nein«, antwortete Lotos, »ich spüre nur eine Art Unbehagen und habe für einen kurzen Augenblick wahrgenommen, daß Ramses von irgend etwas bedroht wird.«
    Sie behielt die Schlange in der Hand und stand auf.
    »Du mußt eingreifen, Setaou.«
    »Was kann ich hier denn unternehmen?«
    »Fahren wir in die Hauptstadt.«
    »Der Vizekönig von Nubien wird sich unsere Abwesenheit zunutze machen, um unsere Reformen wieder außer Kraft zu setzen.«
    »Dann haben wir eben Pech gehabt, aber wenn Ramses unsere Hilfe braucht, müssen wir ihm beistehen.«
    Seit langem stellte der sonst so unwirsche Setaou, der sich von keinem hohen Beamten etwas vorschreiben ließ, nichts mehr in Frage, was die sanfte Lotos von ihm verlangte.

    Nebou, der Oberpriester von Karnak, war ergreist. Wie der weise Ptah-hotep es schon in seinen berühmten Lehren geschrieben hatte, brachte das hohe Alter Gebrechlichkeit mit sich, erneute Hilflosigkeit und die Neigung, selbst bei Tag zu schlafen. Die Augen wurden schwach, die Ohren taub, die Kraft schwand, das Herz wurde müde, der Mund sprach nicht mehr, die Knochen schmerzten, jeder Geschmack war vergangen, die Nase verstopft, und das Aufstehen kostete ebensoviel Mühe wie das Hinsetzen.
    Trotz dieser Beschwerden versah der alte Nebou nach wie vor das Amt, mit dem Ramses ihn betraut hatte: Er wachte über die Reichtümer des Gottes Amun und seine Tempelstadt Karnak. Die praktischen Aufgaben hatte der Oberpriester indes 26

    nahezu vollständig Bakhen übertragen, dem Zweiten Propheten, der somit die Befehlsgewalt über die achtzigtausend Bediensteten ausübte, die auf den Baustellen, in den Werkstätten, auf den Feldern sowie in den Obsthainen und Weingärten arbeiteten.
    Als Ramses ihn
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