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Im Schatten der Akazie

Im Schatten der Akazie

Titel: Im Schatten der Akazie
Autoren: Christian Jacq
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Schöne blieb kurz vor Ramses stehen.
    Er, ihre erste und einzige Liebe, flößte ihr immer noch ehrfürchtige Scheu ein. Er war zu groß für sie, nie würde sie die Tiefe seines Denkens ergründen, aber die Magie der Leidenschaft schüttete diesen unüberwindlichen Graben zu.
    »Bist du bereit?«
    Die Königin von Ägypten verneigte sich.
    Als das Herrscherpaar im Audienzsaal erschien, verstummten die Gespräche. Ramses und Iset nahmen auf dem Thron Platz.
    Der Oberste Gesandte des Pharaos und sein Freund aus Kindertagen, der sehr elegante Acha, der gern neue Moden ins Leben rief, trat einen Schritt vor. Wer hätte beim Anblick dieses erlesen gewandeten Mannes mit dem kleinen, gepflegten Schnurrbart, den vor Klugheit sprühenden Augen und dem beinahe herablassenden Gebaren je vermutet, daß ihn Abenteuer lockten und er nicht gezögert hatte, bei einer gefährlichen Mission auf hethitischem Boden sein Leben zu wagen? Von hübschen Frauen ebenso angetan wie von schönen Kleidern und gutem Essen, betrachtete Acha die Welt mit spöttischem, zuweilen auch enttäuschtem Blick. Dennoch trug er das unstillbare Verlangen, den Ruhm des Pharaos zu mehren, des einzigen Menschen, für den er uneingeschränkte Bewunderung empfand, ohne daß er ihm das jemals 18

    eingestanden hätte.
    »Majestät, der Süden wirft sich dir zu Füßen, bringt dir seine Reichtümer dar und bittet dich um den Odem des Lebens; der Norden erfleht das Wunder deiner Gegenwart; der Osten vereint seine Länder, um sie dir zum Geschenk zu machen; der Westen kniet demutsvoll nieder, seine Anführer beugen ihren Rücken, wenn sie vor dir erscheinen.«
    Der Gesandte des Hethiterreiches löste sich aus der Schar seiner Amtsbrüder und verneigte sich vor dem Königspaar.
    »Der Pharao ist der Herr des strahlenden Glanzes«, erklärte er, »der Atem des Feuers, der Leben schenkt oder zerstört.
    Möge sein Ka ewig leben, möge seine Zeit glücklich sein, möge der Fluß für ihn am richtigen Tag zu steigen beginnen, denn er verleiht der göttlichen Kraft ihre Wirkung, er, der zugleich ein Teil des Himmels wie der Erde ist. Unter der Herrschaft Ramses’ des Großen ist aller Aufruhr erloschen, und jedes Land lebt in Frieden.«
    Den Reden folgten die Geschenke. Vom tiefsten Nubien bis zu den Schutzgebieten Kanaan und Syrien huldigte das gesamte Königreich seinem Herrn.

    Der Palast lag im Schlummer, nur im Arbeitszimmer des Herrn der Beiden Länder brannte noch eine Lampe.
    »Was geht hier vor, Acha?« fragte Ramses.
    »Die Beiden Länder blühen und gedeihen, in jeder Provinz herrscht Überfluß, die Speicher wachsen in den Himmel, du bist das Leben deines Volkes, du …«
    »Schluß mit dem Gerede! Weshalb verbreitet sich der hethitische Gesandte in so überschwenglichen Lobpreisungen?«
    »Als Zeugnis seiner Kunst …«
    »Nein, da steckt mehr dahinter. Findest du nicht?«
    19

    Acha strich sich mit einem sorgsam gepflegten Zeigefinger über den parfümierten Schnurrbart.
    »Ich muß zugeben, daß ich das nicht ganz durchschaue.«
    »Ob Hattuschili den Frieden aufkündigen will?«
    »Nein, dann würde er uns Botschaften anderer Art zukommen lassen.«
    »Sag mir deine wahre Meinung.«
    »Glaube mir, ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll.«
    »Bei den Hethitern nicht zu wissen, woran man ist, wäre ein verhängnisvoller Fehler.«
    »Heißt das, daß du mir den Auftrag erteilst, die Wahrheit herauszufinden?«
    »Wir haben zu viele friedliche Jahre erlebt, du wirst in letzter Zeit träge.«
    20

    DREI
    ON KLEINEM WUCHS und immer noch schmächtig, V obwohl er zu jeder Tages- und Nachtzeit riesige Nahrungsmengen verschlang, war Ameni mit Leib und Seele Schreiber. Wie Acha seit seinen Kindertagen mit Ramses befreundet, arbeitete er unermüdlich und stand einer ausgewählten Schar von zwanzig sachkundigen Beamten vor, die über alle wichtigen Dinge Berichte für den Pharao anfertigten. Er bewies außerordentliche Tüchtigkeit, und trotz der Kritik, die zwar keineswegs berechtigt war, mit der seine Neider jedoch nicht geizten, schenkte Ramses ihm uneingeschränktes Vertrauen.
    Da er zumeist unter Rückenschmerzen litt, aber darauf bestand, ganze Stapel von hölzernen Schrifttafeln und Papyrusrollen selbst zu tragen, war der Oberste Schreiber oft so bleich, daß er den Eindruck erweckte, ihm sei übel. Dennoch brachte er größere Ausdauer auf als seine Untergebenen, benötigte nur wenig Schlaf und konnte stundenlang die Binse handhaben, um vertrauliche
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