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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen
Autoren: Christine Béchar
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sollen. Sie hätte sicher dabei geglänzt. Äußerlich war sie allerdings dem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie hatte seine blonden Locken, seine blauen Augen, seine kantigen Wangenknochen. So stellte ich mir einen Engel vor.
    Ich dagegen hatte weder Papas markante Gesichtskonturen, noch die feinen Züge meiner Mutter, weder seine blonden Locken noch Mamas glatte schwarze Haare, weder seine schillernden blauen Augen noch die leuchtenden dunklen Augen meiner Mutter … Als ob ich nicht die Tochter meiner Eltern wäre … Oder doch die perfekte Mischung? Ohne besondere Merkmale, mit hellbraunem welligem Haarschopf und grünen Augen, deren Farbe sich nach dem Wetter richtete. Na ja, perfekt war schnell gesagt, denn ich fand mich gewöhnlich; hübsch zwar, aber nicht von einer überwältigenden Schönheit wie die meiner Mutter. Ein Gesicht, das man schnell vergisst.
    Jemand klingelte an der Tür. Bestimmt Marie, die vom Tanzen zurückkam. Wegen ihrer schlechten Angewohnheit, ihren Schlüssel überall liegen zu lassen, nahm sie mittlerweile überhaupt keinen mit. Ich ließ sie rein.
    „ Wie war dein Tag?“
    „ Hunger!“
    Erfreut zu erfahren, dass ich gerade dabei war, Toasts zu machen, ging sie unter die Dusche, während ich die letzten Vorbereitungen in der Küche traf.
    Wie aus dem Ei gepellt setzte sie sich später vor ihren Teller. Eigentlich wollte ich auf unseren Vater warten; sie blieb aber so hartnäckig, dass ich mich überreden ließ, wenigstens zwei Stück gleich zu backen. Kaum waren sie verputzt, fiel die Eingangstür ins Schloss. „Hm, riecht es hier gut. Hallo Mädels!“
    „ Hallo Papa!“, antworteten wir im Chor.
    „ Entschuldigung, wir haben schon angefangen. Marie hatte einen Riesenhunger.“
    Meine kleine Schwester hatte ihn stürmisch umarmt. Mit Marie in den Armen kam er zu mir und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
    „ Ich gehe mich schnell umziehen und dann können wir essen“, sagte er, bevor er Marie auf den Boden stellte.
    Nach fünf Minuten kam er in einem bequemeren Outfit zurück. Hemd und Krawatte hatte er durch ein T-Shirt ersetzt, die schwarze Faltenhose durch eine Jeans. Als er mir gegenübersaß, runzelte er die Stirn.
    „ Hast du irgendetwas? Du siehst aus, als hättest du geweint.“
    Manchmal wünschte ich mir, ich hätte einen dieser Väter, denen nie etwas auffiel. Meinem entging leider gar nichts.
    „ Alles im grünen Bereich.“
    „ Probleme in der Schule?“
    „ Nein, wirklich. Ich habe nichts.“
    „ Oder Probleme mit deinem Freund?“, fragte er weiter mit einem inquisitorischen Lächeln auf den Lippen.
    Na prima! Er würde nicht locker lassen. Alles abzustreiten würde gar nichts nützen, denn mein errötetes Gesicht hatte mich bereits verraten.
    „ Es ist vorbei mit Antoine.“
    „ So, so, … er hieß Antoine. War das derjenige, der dich ab und zu mit dem Motorrad abgeholt hat?“, erkundigte er sich.
    Marie, die das Ganze sehr witzig fand, versuchte ihr Glucksen zu unterdrücken.
    „ Ja.“
    Meine Wangen wurden immer wärmer.
    „ Er ist bestimmt ein Idiot. Mach dir nichts draus. Du findest sicher einen neuen … Freund natürlich, … nicht Idioten.“
    Das war zu viel. Meine kleine Schwester konnte sich nicht mehr beherrschen und lachte sich kaputt. Ich wunderte mich, dass sie ihren Senf noch nicht dazugegeben hatte. Vermutlich war sie der Ansicht, mein Vater würde das ganz toll allein hinkriegen.
    „ Was den Idioten angeht, gebe ich dir Recht, aber im Gegensatz zu dem, was du zu glauben scheinst, habe ICH Schluss gemacht. Es macht mich nicht fertig, dass wir nicht mehr zusammen sind, sondern dass ich nicht mehr zur Clique gehöre.“
    „ Dann ist er nicht nur bestimmt ein Idiot, sondern mit Sicherheit. Du solltest dir den Kopf nicht darüber zerbrechen. Bald sind Ferien, ihr werdet in alle Himmelsrichtungen verreisen, und bis ihr wieder alle da seid, ist alles vergessen.“
    „ Glaubst du wirklich?“
    „ Ja, und sollte ich mich täuschen, hast du dann immer noch Zeit, darüber nachzugrübeln. Bis dahin versuch dich abzulenken. Ich habe ein paar DVDs mitgebracht. Heute Abend darfst du einen Film aussuchen.“
    Glück gehabt! Als er mit dem Thema angefangen hatte, hatte ich weit Schlimmeres befürchtet. Schließlich hatte ich ihn mal in Bezug auf meinen Freund angelogen. Nun war ich baff. Er war cooler als ich dachte. Hinterher wollte er von Marie wissen, wie ihr Tag gewesen sei. Ohne jegliche Zurückhaltung ließ sie einen Schwall
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