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Im Mittelpunkt Yvonne

Im Mittelpunkt Yvonne

Titel: Im Mittelpunkt Yvonne
Autoren: A. A. Fair
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werden. Vorläufig war sie nichts Halbes und nichts Ganzes. Die Grundstücksbesitzer konnten sich etliche Kaninchen und ein paar Hühner halten, und der Boden gab, bei Anwendung von reichlich Wasser, Kunstdünger und Muskelschmalz, auch brauchbares Gemüse.
    Haus Nr. 1638 war ein weißer Bungalow, der schon recht verwittert aussah, für ein Puppenhaus zu groß und als gemütliches Heim zu klein, trotz des äußerlich großzügigen Eindrucks. In einem Inserat unter den Kleinanzeigen hätte die Beschreibung verlockend geklungen: >Hübsches Eigenheim, zwei Schlafzimmer, Bad, Küche, Wohnzimmer, Eßzimmer, Veranda, Sonne, von allen Seiten schöner Blick auf die Berge.<
    Ich kannte diesen Häusertyp: Schlafzimmer so klein, daß zwischen den an die Wände gequetschten zwei Betten kaum ein Parkplatz für Pantoffeln frei bleibt, das Bad so winzig, daß man bei jeder unvorsichtigen Körperdrehung Gefahr läuft, sich die Schienbeine wund zu stoßen. Die theoretische Demarkationslinie zwischen Wohnraum und Eßzimmer so gut wie unwahrnehmbar und de facto gar nicht vorhanden. Die Küche kaum größer als die Kochnische in den modernen Wohnwagen, die man als Anhänger mitschleppt.
    Drury Wells, ein langer Mensch mit Hängeschultern, blaßblauen Augen und Bewegungen, die ebenso phlegmatisch waren wie seine Sprache, öffnete auf mein Klingeln. Ich schätzte ihn auf fünfunddreißig. Er trug ein ausgebleichtes blaues Hemd, einen geflickten Overall und dick besohlte Schuhe, Infanteriemodell. Seine äußere Aufmachung schien ihm völlig gleichgültig zu sein, und er machte ein Gesicht, als könnte ihm die ganze Welt gestohlen bleiben.
    »Hallo, was kann ich für Sie tun?« fragte er, mit dem Ton auf >Sie<.
    »Mein Name ist Donald Lam.«
    »Freut mich, Mr. Lam.«
    Wir reichten uns die Hände.
    »Ich bin Detektiv«, ergänzte ich.
    »Nanu!« sagte er.
    »Ta, Privatdetektiv.«
    »Oh.«
    »Ich hätte gern mal mit Ihrer Gattin gesprochen.«
    »Ich auch.«
    »Sie wissen nicht, wo sie sich befindet?«
    »Nein.«
    »Gar keine Ahnung?«
    »Kommen Sie erst mal ’rein«, sagte Wells. »Setzen Sie sich. Rauchen Sie, wenn Sie Lust haben.«
    Er führte mich in das Puppenhaus-Wohnzimmer. Der einzige vorhandene Polsterstuhl, den er mir anbot, war hart wie ein Packen Jutesäcke auf einer Betonplatte. Er selbst zog sich einen schlichten Schemel heran.
    »Wann haben Sie Ihre Frau zuletzt gesehen?« fragte ich.
    »Vor drei Tagen.«
    »Wie lange wohnen Sie schon hier?«
    »Noch nicht viel länger. Zwei oder drei Tage nach dem Einzug bekamen wir Streit.«
    »Und sie verließ das Haus?«
    »Richtig.«
    »Wann? Nachts, morgens, nachmittags? Um welche Uhrzeit?«
    »Morgens, als ich auf stand, war sie weg.«
    »Stehen Sie früh auf?«
    »Nur, wenn ich muß. Nach Möglichkeit liege ich gern lange im Bett.«
    »Und an dem Morgen lagen Sie auch noch?«
    »Sehr richtig. Mann, sie ist sogar abgehauen, ohne mir Frühstück hinzustellen!«
    »Sieh mal an«, sagte ich. »Überließ Ihnen die ganze Arbeit allein. Das meinen Sie doch?«
    »Richtig.«
    »Bitter«, bemerkte ich.
    Er streifte mich mit einem schnellen Blick seiner blaßblauen Augen und sagte: »Es ist ein Kreuz, sich ohne Frau behelfen zu müssen.«
    »Um was ging denn der Streit mit ihr?«
    »Ach, um Nichtigkeiten.«
    »Hat sie eine Nachricht hinterlassen, daß sie fortwollte?«
    »Außer schmutzigem Geschirr im Aufwaschtisch hat sie nichts hinterlassen.«
    »Noch Geschirr vom Abend vorher?«
    »Nein. Sie selbst scheint sich zum Frühstück nur Kaffee und zwei Eier gekocht und etwas Toast geröstet zu haben, bevor sie türmte.«
    »Sie haben sie bei der Zubereitung des Frühstücks gar nicht gehört?«
    »Nein. Sie muß sich wie auf Katzenpfoten in der Küche bewegt haben.«
    »Auch den Kaffeegeruch haben Sie nicht bemerkt?«
    »Nein.«
    »Wieviel Kleidung hat sie mitgenommen? Den Schrank ganz ausgeräumt?«
    »Nee.«
    »Kennen Sie die Kleider Ihrer Frau so genau, daß Sie wissen, welche fehlen?«
    »Nee.«
    »Wie steht’s mit Verwandten?« fragte ich. »Hat Ihre Frau Verwandte, zu denen sie gefahren sein kann?«
    »Wüßte ich nicht. Wir sind nicht für Familienrummel, und ich kann angeheiratetes Volk sowieso nicht leiden. Einen Onkel hatte sie, ja. Der hinterließ ihr ein Stückchen Land, als er starb.
    Vor einer Woche erst, ungefähr. Ich weiß nicht, ob sie sonst noch Verwandte hat. Ist mir auch egal.«
    »Wo haben Sie denn geheiratet?«
    »Vielleicht lassen Sie mich jetzt mal ein paar Fragen stellen.
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