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Im hohen Gras

Im hohen Gras

Titel: Im hohen Gras
Autoren: S King
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dass ihm die Stimmbänder wehtaten. Wie bei einem Metallica-Konzert, nur ohne die Musik. » ES IST MIR EGAL, WIE VIEL ANGST DU HAST, DU MUSST STEHEN BLEIBEN! SONST FINDEN WIR DICH NIE! «
    Er drehte sich um, wieder fest davon überzeugt, Becky direkt vor sich zu sehen, aber da war nichts außer hohem Gras. Er ging in die Hocke und sprang hoch. Er sah die Straße (die überraschend weit weg war; offenbar war er ein ganzes Stück gerannt, ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein). Er sah die Kirche mit dem komischen Namen, und er sah das Bowlingcenter, aber das war auch alles. Er hatte zwar nicht damit gerechnet, auf diese Weise Becky zu entdecken – schließlich war sie nur knapp eins sechzig groß –, aber es wunderte ihn schon, dass er nicht einmal erkennen konnte, wo sie durchs Gras gelaufen war. Der Wind fuhr jetzt stärker als zuvor hindurch, wobei der Eindruck entstand, es gäbe mehrere Dutzend verschiedener Pfade.
    Er sprang noch einmal hoch. Unter seinen Sohlen quatschte die aufgeweichte Erde. Es trieb ihn fast in den Wahnsinn, dass er wieder nur einen kurzen Blick auf die Landstraße erhaschen konnte.
    »Becky? Wo zum Teufel steckst du? «

    Becky hörte, wie Cal brüllte, der Junge solle stehen bleiben, ganz gleich, wie viel Angst er habe. Das klang nach einem guten Plan, wenn ihr dämlicher Bruder nur warten würde, bis sie ihn eingeholt hatte. Sie war erschöpft, ihre Klamotten waren nass, und zum ersten Mal fühlte sie sich richtig schwanger. Zum Glück war Cal ganz in ihrer Nähe, irgendwo rechts vor ihr.
    Schön, aber meine Turnschuhe sind trotzdem hinüber. Die kann ich wahrscheinlich in den Müll schmeißen.
    »Becky? Wo zum Teufel steckst du?«
    Okay, das war merkwürdig. Er war immer noch rechts von ihr, aber seine Stimme kam jetzt von irgendwo hinter ihr.
    »Hier«, sagte sie. »Und ich bleibe auch hier, bis du bei mir bist.« Sie warf einen Blick auf ihr Smartphone. »Cal, hat dein Handy Empfang?«
    »Keine Ahnung. Es ist im Wagen. Quassel einfach weiter, bis ich bei dir bin.«
    »Was ist mit dem Jungen? Und der verrückten Mutter? Die macht überhaupt keinen Mucks mehr.«
    »Erst mal gehen wir gemeinsam zurück – und dann machen wir uns Sorgen um die beiden, okay?« Da Becky ihren Bruder kannte, gefiel ihr gar nicht, wie er jetzt klang. Ganz offensichtlich war er beunruhigt, auch wenn er es nicht zeigen wollte. »Du sollst weiterreden.«
    Becky überlegte kurz und setzte dann zu einem Limerick an, wobei sie im Takt auf den Boden stampfte. »Einem Mädchen mit Namen Sabrini, lief Gin in ihren Bikini. Sie goss Wermut dazu, und rief: ›Jetzt du!‹, und ihr Freund leckte ab den Martini.«
    »Ach, wirklich bezaubernd!«, sagte Cal. Inzwischen befand er sich unmittelbar hinter ihr, fast so nahe, dass sie den Arm ausstrecken und ihn berühren konnte. Warum war sie nur so erleichtert? Es war doch bloß eine Wiese , um Himmels willen.
    »He, Leute!« Der Junge. Leise. Jetzt lachte er auch nicht mehr, sondern klang geradezu panisch. »Suchen Sie nach mir? Ich hab echt Angst!«
    » JA, JA, OKAY – HALT DURCH! « , schrie Cal. »Becky? Becky, red weiter.«
    Becky legte die Hände auf den gewölbten Bauch – sie weigerte sich, Babykugel dazu zu sagen, weil ihr das zu sehr nach einer Promizeitschrift wie People klang – und hielt ihn sanft umfasst. »Hier ist noch einer. Ein Mädchen namens Barbette, die schluckte die falsche Table…«
    »Halt, halt. Ich bin irgendwie an dir vorbeigerannt.«
    Genau, seine Stimme kam jetzt wieder irgendwie von weiter vorn. Sie drehte sich um. »Hör auf, Faxen zu machen, Cal. Das ist gar nicht lustig.« Ihr Mund war wie ausgetrocknet. Sie schluckte, und auch ihr Rachen war ganz trocken. Wenn es in den Ohren so komisch klickte, wusste man, dass er völlig ausgedörrt war. Im Wagen befand sich eine große Flasche Mineralwasser. Von den Coladosen auf dem Rücksitz ganz zu schweigen. Sie konnte sie im Geiste vor sich sehen: rote Dosen, weiße Schrift.
    »Becky?«
    »Was ist?«
    »Irgendwas stimmt hier nicht.«
    »Was meinst du damit?« Als wüsste ich das nicht selbst, dachte sie.
    »Hör mal. Kannst du hochspringen?«
    »Natürlich kann ich das. Was glaubst du denn?«
    »Ich glaube, dass du diesen Sommer ein Kind kriegst, das glaube ich.«
    »Trotzdem kann ich … Cal, lauf nicht weg!«
    »Ich hab mich nicht von der Stelle gerührt«, sagte er.
    »Natürlich hast du das! Du läufst immer noch …«
    »Halt die Klappe und hör zu. Ich zähl jetzt bis drei. Bei drei
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