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Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)

Titel: Im Haus der Weisheit: Die arabischen Wissenschaften als Fundament unserer Kultur (German Edition)
Autoren: Jim al-Khalili
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und warum erlebte die wissenschaftliche Gelehrsamkeit unter der Schirmherrschaft mancher Herrscher eine solche Blütezeit? Und, vielleicht am interessantesten: Warum und wann ging dieses Goldene Zeitalter zu Ende?
    Als praktizierender Wissenschaftler und Humanist bin ich überzeugt, dass die »wissenschaftliche Methode«, wie wir sie nennen, und das Wissen, dass die Menschheit aus der rationalen Wissenschaft bezieht, uns viel mehr zu bieten haben als nur »einen Weg, die Welt zu betrachten«. Der von Vernunft und Rationalität getragene Fortschritt ist definitionsgemäß etwas Gutes; Wissen und Aufklärung sind stets besser als Unwissen. Während meiner Kindheit im Irak lernte ich in der Schule große Denker wie Ibn Sina (Avicenna), Al-Kindi und Ibn al-Haitham (Alhazen) nicht nur als entfernte historische Gestalten kennen, sondern als meine geistigen Urahnen. Im Westen haben sicher viele schon einmal beispielsweise von dem persischen Gelehrten Ibn Sina gehört. Viele andere große Namen jedoch sind mehr oder weniger in Vergessenheit geraten. Selbst im Irak begegneten mir diese Gestalten nicht im naturwissenschaftlichen Unterricht, sondern im Fach Geschichte. Der Grund: Auch in der muslimischen Welt werden Naturwissenschaften heute nach abendländischen Prinzipien unterrichtet. Dass Kinder in Europa lernen, Kopernikus, Galilei und Kepler seien die Väter der Astronomie gewesen und vor ihnen habe es nichts Erwähnenswertes gegeben, ist nicht verwunderlich; enttäuschender ist es aber, dass man den Kindern in der muslimischen Welt das Gleiche beibringt. Würden sie nicht vielleicht die Ohren spitzen und dem Unterricht aufmerksamer folgen, wenn sie erfahren würden, dass die meisten Sterne, die wir am Nachthimmel sehen, arabische Namen tragen? So sind beispielsweise die Namen von fünf der sieben Hauptsterne im Sternbild des Großen Bären (auch Ursa Maior oder Großer Wagen genannt) arabischen Ursprungs: Dubhe, Megrez, Alioth, Mizar und Alkaid.
    Die Wissenschaftler, die in diesem Buch vorkommen, waren sowohl im buchstäblichen wie auch im übertragenen Sinn wahre Wegbereiter. Das Zitat zu Beginn des Buches über den Gelehrten Ibn Chaldun lässt sich aber auf alle anwenden, deren Geschichten und Leistungen ich erwähne. Sie alle betraten Neuland, indem sie das Wissen der Menschheit vorantrieben, und doch sind die meisten von ihnen vergessen.
    Die Weitergabe wissenschaftlicher Erkenntnisse, insbesondere in Mathematik und Astronomie (die von den Historikern als »exakte« Wissenschaften bezeichnet werden), ist eines der leistungsfähigsten Hilfsmittel, wenn man Beziehungen zwischen unterschiedlichen Kulturkreisen aufbauen will. Andere Bereiche unseres Denkens, darunter Religion und Philosophie, werden langsamer übermittelt und dringen erst allmählich in eine Kultur ein, um sie zu beeinflussen. Die exakten Wissenschaften dagegen erfordern die unmittelbare Nutzung von Abhandlungen und anderen geschriebenen Arbeiten, so dass wir aus ihnen viel über die Verhältnisse der jeweiligen Zeit erfahren können. Und auch wenn meine Motive, ein vollständiges Bild der arabischen Wissenschaft zusammenzustellen, sich nicht von denen eines Historikers unterscheiden, sollte ich doch betonen, dass mein Hauptinteresse dem Ursprung und der Entwicklung von Wissenschaft selbst gilt. Aus diesem Grund kümmert es mich eigentlich nicht, ob die fragliche Wissenschaft von Griechen, Christen, Muslimen oder Juden betrieben wurde. Ich werde zwar ein Kapitel der Frage widmen, wie das islamische Reich die Wissenschaft der Griechen und anderer Kulturen erbte, vor allem aber geht es mir in diesem Buch um die Gedanken auf den Gebieten von Naturwissenschaft, Medizin, Philosophie und Mathematik, die im Islam des Mittelalters entstanden und heranreiften.
    Für mich als theoretischen Physiker, der vor allem mit der inneren Funktionsweise des Atomkerns vertraut ist, war dies eine erfreuliche, erfrischende Unternehmung. Besonders freut es mich, dass ich viele Tatsachen aufdecken konnte, die andere entweder übersehen haben oder sie einer breiten Leserschaft nicht beschreiben mochten.
    Die Entstehung dieses Buches dauerte drei Jahre. Während dieser ganzen Zeit befand ich mich auf einer unbarmherzig steilen, aber auch ungeheuer bereichernden Lernkurve. Bei den Recherchen und bei der Weiterbildung halfen mir viele Menschen; manche von ihnen sind Experten für arabische Wissenschaft, andere steuerten nachdenkliche Kommentare und hilfreiche Ratschläge bei. Sie
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